: Eine Rechenkiste - mehrnicht
■ Mädchen oder Oma, im Frauen Computer Zentrum schaffen alle den Einstieg ins Netz
„Nein, eine feministische Tastatur gibt es nicht, aber es gibt eine ergonomische, und die wurde von Frauen entwickelt“, sagt Melanie Schütte vom Frauen Computer Zentrum. Ihrer Erfahrung nach haben Frauen vor allem ein pragmatisches Verhältnis zu ihrem PC – die Rechenkiste ist ein Arbeitsgerät, mehr nicht. Für Männer dagegen rückt der Computer in seiner Bedeutung als Status- und Potenzsymbol immer näher an das Auto. „Wenn ich Männer über ihre Computer reden höre, lege ich die Ohren an: Da wird auf- und umgerüstet. Und wenn's was Neues gibt, müssen sie es sofort haben“, hat Melanie Schütte beobachtet.
Wie zum Beispiel Windows 95. „Absolut kein Frauenthema“, sagt Melanie Schütte. „Frauen setzen sich mit dem Computer auseinander, wenn sie ihn für die Arbeit brauchen, neue Programme schaffen sie sich also dann an, wenn die alten nicht mehr ausreichen, aber nicht, weil sie gerade auf den Markt kommen.“
Für die meisten Frauen findet die Auseinandersetzung mit der Hard- und Software am Arbeitsplatz statt, denn Textverarbeitung ist immer noch Frauendomäne. Deshalb ist der Bedarf an EDV-Kursen weiterhin groß. Jetzt tauchen auch Frauen in der Frauen Computer Akademie auf, die sich bislang vehement gegen die Technik gesperrt haben. Dazu gehören viele Ärztinnen. Sie müssen sich mit dem PC anfreunden, entweder weil ihre Helferinnen murren, oder weil sie sonst die Kassenabrechnungen nicht in der vorgeschriebenen Form abwickeln können.
Manche haben aber auch ganz andere Gründe. Melanie Schütte erzählt, daß eine Kursteilnehmerin kam, weil bis jetzt ihr Mann den ganzen Papier- und Abrechnungskram per Computer erledigte – nun will sie das auch lernen, damit sie nicht dumm dasteht, „wenn er mal nicht mehr ist“. Die Dame ist bereits über 70. Es kommt aber auch die Großmutter, die ihrer Enkelin einen PC kaufen will. „Die spielen dann an unserem offenen Nachmittag gemeinsam am Computer, und die Oma erzählt der Enkelin, worauf sie achten muß.“
Daß Computer im wahrsten Sinne des Wortes kinderleicht zu bedienen sind, ist relativ neu. Die komplizierten DOS-Befehle ähnelten eher einer Geheimsprache und mußten wie Vokabeln gelernt werden. Computercracks wurden hofiert, weil mit dem nächsten Absturz jederzeit zu rechnen war. Doch als Windows mit der ersten graphischen Benutzeroberfläche auf den Markt kam, wurde alles viel einfacher. „Das gab einen Aufschrei in der Szene, denn plötzlich konnte jeder mit dem Computer umgehen, und das gefiel den Männern gar nicht. Viele dieser Hardliner haben sich sogar geweigert, mit den bunten Symbolen zu arbeiten“, erzählt Melanie Schütte.
Frauen hingegen kommt dieser eher spielerische Zugang sehr entgegen, vor allem machen die bunten Zeichen keine Angst.
Auch in den Kursen wird völlig auf „die abgehobene Fachsprache“ verzichtet. Dem Computer nähert man sich dann auch schon mal wie einer Waschmaschine. „Wir nehmen Beispiele und Bilder aus dem Leben der Frauen“, sagt die Computerfachfrau. Und sogar programmiert wird im Einführungskurs. „Wir tun so, als wär–s ein Kochrezept, und schon funktioniert es ganz prächtig.“ kaz
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