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Archiv-Artikel

Die Ausstellung „Hamburg-Kartierung“ im Kunstverein zeigt Facetten der Aneignung von Stadt und Land Eine Linie von Altona nach Kiel

Welche spezielle Sicht haben Forellenliebhaber oder Objektschützer, Skater oder Scharfschützen auf diese Stadt? In der Ausstellung Mapping a City: Hamburg-Kartierung zeigt der Kunstverein derzeit eine Vielzahl künstlerischer Beobachtungs- und Aufzeichnungsweisen, mit denen sonst übliche Stadtpläne und GPS-gesteuerte Wegeführungen subjektiviert und relativiert werden. Genau genommen läuft das Projekt mit Filmabenden, Vorträgen und Exkursionen schon seit März. Denn statt Kunst im öffentlichen Raum nur zu platzieren, geht es bei den Künstlern der Galerie für Landschaftskunst, die das Projekt initiierte, darum, den heimatlichen Raum neu zu erkunden.

Von Anna Gudjonsdottir und Till Krause vor zehn Jahren gegründet, ist die Galerie für Landschaftskunst ein Künstlerkollektiv, das an forschend und vermittelnd naturgeschichtlichen, historischen, sozialen und medialen Aspekten des ländlichen und städtischen Umraumes arbeitet. Zu der inzwischen auf über 17 Mitglieder angewachsenen Gruppe zählen mit Bob Braine, Matt Mullican und Mark Dion auch drei Künstler aus New York sowie Nils Norman aus London, Jussi Kivi aus Helsinki und Kristinn G. Hardarson aus Reykjavik.

Es ist fast irritierend, dass so viele Künstler sich damit beschäftigen, jenseits eingefahrener Wege sich in dieser Stadt zu orientieren und ihre mit Akribie, aber oft nicht ohne Ironie gesammelten Erfahrungen zu archivieren und zu veröffentlichen. Dieser Prozess bringt dann Resultate, die zwischen„überraschend brauchbar“ und „verblüffend abseitig“ changieren.

Anna Gudjonsdottir etwa überrascht mit der Entdeckung rauschender Wasserfälle im hiesigen Flachland, Mark Wehrmann legt seinen Bildern in der City ausgekundschaftete Spots zugrunde, die für BMX-Räder und Skater geeignet sind, Patrick Rieve erklettert mögliche Scharfschützenpositionen und Malte Urbschat überwacht die Aktion von Überwachungsdiensten. Ein Kabinett ist Jussi Kivi vorbehalten: Er zeigt Fotos von den vom Wald überwucherten Resten der Pulverfabrik in den Besenhorster Sandbergen, eine Übergangs- und Grenzlandschaft, wie sie auch Daniel Maier-Reimer in den Bildern thematisiert, die entstanden, als er die exakte Linie der Hamburgischen Landesgrenze abwanderte.

Mit militärischer Satellitentechnik untersucht Bob Braine periphere Orte entlang des ehemaligen Festungsrings der Stadt, dessen gezeichnete Silhouette wie der Kopf einer Figur der Simpsons aussieht. Eine abstrakte Setzung ist auch der Versuch von Till Krause, der vor Jahren alle inoffiziellen Durchgänge in Hamburgs Innenstadt ausprobiert und publiziert hat. Zudem hat er versucht, auf einer schnurgeraden Linie von Altona nach Kiel zu gehen: Auf einem 20 Meter langen Tisch sind verschiedene Aspekte dieses Versuchs kartographiert. Ins Allgemeine schließlich wendet Matt Mullican das Thema: Ausgehend von der Prämisse, dass jede Stadt erst durch die Projektion von Bedeutung erfahrbar wird, verwandelt er den Hamburger Stadtplan in ein Archiv, in dem Orte zu Büchern und Häuser zu Sätzen werden. HAJO SCHIFF

weitere Künstler: Stephan Dillemuth, Anke Haarmann, Florian Hüttner, Nils Norman, Ralph Weißleder, Malte Willms; Kunstverein; Di– So 11–18, Do bis 21 Uhr; bis 15. 2.2004. Die nächste Begleitveranstaltung: Stephan Dillemuth, Martin Raue und Jörg Zehe sprechen am 4.12., 19 Uhr über „Die Arecibo Message: Gründe, Eigenschaften und Bestimmungen von Codes, Botschaften und Karten“.