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Eine Handvoll Dollar ...

■ ... ist jetzt immer weniger wert: Gestern kostete der Dollar erstmals weniger als 1,70 DM pro Stück.

In dieser Woche hat der Dollarkurs einen neuen historischen Tiefstand erreicht. Sollte er weiter fallen - so weit, wie seine Kaufkraft in den Vereinigten Staaten seit 1980 gesunken ist - dann steht er bald bei 1,25 DM. Und weder die US–Regierung noch die Frankfurter Bundesbank scheinen seinen Sturz im Moment wirklich aufhalten zu wollen. Längst ist der Dollar auch gegenüber starken Exportländern der „Dritten Welt“ wie Südkorea oder Taiwan überbewertet. Nur die US–Bevölkerung macht sich bislang kam Sorgen ..., außer vielleicht den Yuppies, für die mittlerweile der BMW zu teuer geworden ist.

Die Krise kommt, der Dollar geht. Keiner hält ihn auf. Auch nicht Männer wie Alan Greenspan oder James Baker. Von Greenspan, dem neuen Chef der US–Zentralbank, ist bekannt, daß er schon vor seinem Amtsantritt von einem tiefen Dollarkurs geträumt hat. Und US–Finanzminister „Jimmy“ Baker hält es seit drei Wochen für seine Hauptaufgabe, den übrigen Exportländern einen weiteren Fall des Dollars anzudrohen (zu den Folgen für die Bundesrepublik siehe den Kasten auf der heutigen Wirtschaftsseite), koste es, was es wolle. Aber auch der Chef der Frankfurter Bundesbank, Karl–Otto Pöhl, ist es müde, mit schönen Worten die Stimmung auf den Dollarmärkten zu verbessern: „Die Fähigkeit und die Bereitschaft der führenden Notenbanken, als Feuerwehr für den Dollar aufzutreten, haben ihre Grenzen.“ Wie wahr, allein in der vergangenen Woche haben die Frankfurter Bundesbanker acht Milliarden Dollar aufgekauft, um den Kurs der US–Währung hochzuhalten - vergeblich. Das Abkommen, mit dem im Februar die Notenbanker und Finanzminister im Pariser Louvre den Dollarkurs auf etwa 1,80 DM festlegten, dürfte nach den Worten Bakers, Greenspans und Pöhls nun endgültig der Geschichte angehören. Karl–Otto Pöhl und seine Direktoren könnten jetzt höchstens nur noch eins für den Dollar tun: die Leitzinsen zu senken. Das würde jedenfalls Dollaranlagen in den Vereinigten Staaten - mit ihrem höheren Zinsniveau - attraktiver machen. Eine Senkung der Leitzinsen des durchgreifendsten Instrumentes der Bundesbank wäre indes ein Zeichen für höchsten Alarm in den Zentren der Finanzwelt - bemühte man sich doch in Frankfurt in letzter Zeit eher um sanfte Zinsanhebungen etwa bei der Ausgabe von Wertpapieren, um das Geldmengenwachstum in den Griff zu bekommen und die Inflationsgefahr nicht zu erhöhen. Alarm ist auch angebracht. Der Dollarkursverfall ist Ausdruck von beispiellosen Verwerfungen im Gefüge der Weltfinanzen. Das Hamburger HWWA–Institut für Wirtschaftsforschung veröffentlichte kürzlich Berechnungen, nach denen der Dollar heute nur 1,25 DM kosten dürfe, nähme man als Maßstab seine Kaufkraft Anfang 1980, als er den letzten Tiefstand gegenüber der DM erreicht hatte. Eine solch dramatische Dollar– Abwertung könnte dem Export der USA durchaus einen Schub versetzen, und der wäre bitter nötig: Im vergangenen Jahr kauften die Vereinigten Staaten für 387 Milliarden Dollar auf dem Weltmarkt ein, konnten selbst jedoch nur Waren für 217 Milliarden Dollar losschlagen. Seit 1982 hat sich dann das Defizit in der Handelsbilanz vervierfacht, und dies, obwohl sich der Dollar seit 1985 (damals knapp über 3,50 DM) auf stetiger Talfahrt gegenüber den ansteigenden europäischen Währungen und dem japanischen Yen befindet, US–Waren für Ausländer mithin immer billiger geworden sind. Die Währungen einiger Dritte– Welt–Länder erweisen sich einfach als härter als der Dollar. Gleichwohl werden die Wechselkurse nicht entsprechend angepaßt, so daß der Dollar schlicht überteuert ist. Allein die vier südostasiatischen Länder Honkong, Taiwan, Singapur und Südkorea, sowie Mexiko, Brasilien und Indonesien waren im vergangenen Jahr für ein Handelsdefizit der Vereinigten Staaten in Höhe von 40 Milliarden Dollar verantwortlich (von insgesamt 170 Milliarden Dollar). Gegenüber einer Reihe dieser Dritte–Welt–Länder wäre eine Dollarabwertung mindestens ebenso wichtig wie gegenüber der BRD und Japan. Die USA müssen sich mit dem Gefühl vertraut machen, daß ihre wirtschaftlichen Rahmendaten in mancher Hinsicht einfach schlechter aussehen als die einer Reihe von Entwicklungsländern. Während beispielsweise die Mexikaner ihren Export so stark antreiben konnten, daß sie mittlerweile buchstäblich nicht wissen, was sie mit ihrem neuerlichen Devisenpolster anfangen sollen, treibt das Handelsdefizit der USA deren Auslandsverschuldung in ständig neue Höhen: Auf 267 Milliarden Dollar wird der Posten inzwischen veranschlagt. Zieht man in Betracht, daß man 1984 noch als Gläubiger gegenüber dem Rest der Welt aufgetreten ist, wird die Geschwindigkeit des Verschuldungsprozesses klar, und es verwundert niemanden, daß der Internationale Währungsfonds (IWF) die Auslandsverschuldung des Landes zu Beginn der 90er Jahre auf 800 Milliarden Dollar prognostiziert. Kein Wunder auch, daß der IWF bei seiner letzten Jahrestagung scharfe Kritik an der Verschuldung der USA geübt hat. Im Land selbst hat allein die US– Bundesregierung inzwischen 2.300.000.000.000 (2,3 Billionen) Dollar „Miese“ angehäuft, nimmt man die Verschuldung der einzelnen Bundesstaaten hinzu, die die Armutslasten der Krise zu tragen haben, so erhält die Zahl sogar noch eine Stelle mehr vor dem Komma. Wenn nun der IWF schätzt, daß auf diese 800 Milliarden Dollar Auslandsschulden in den 90er Jahren jährlich 60 Milliarden Dollar Zinszahlungen anfallen (von der Rückzahlung ganz zu schweigen), im Vergleich zum jetzigen Handelsdefizit also Warenströme von schlappen 220 Milliarden Dollar pro Jahr umgeleitet werden müssen, so muß ein Gedanke langsam stärker in die Diskussion kommen: Wirtschaftsexperten des IWF schwärmen nicht mehr aus ihrer 19. Straße in Washington in alle Welt aus, um bei Überbrückungskrediten den Dritte–Welt– Ländern ihre Anpassungsprogramme aufzudrücken. Vielmehr werden sie unter der Adresse Mall 1.600, Washington D.C., um einen Termin bitten und sich vom US–Präsidenten demnächst mal die Bücher zeigen lassen. Ulli Kulke

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