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„Eine Einigung in letzter Minute“

■ Interview mit Wolfgang Scheremet vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung

taz: Haben Sie eine Prognose, wie die Tarifverhandlungen im Metallbereich weitergehen?

Wolfgang Scheremet: Ich tippe auf eine Einigung in letzter Minute, die bei den Löhnen eine Zuwachsrate um ein Prozent bringt.

Zwischen den Forderungen der Arbeitgeber von minus zehn Prozent und denen der IG Metall von plus sechs liegen lockere 16 Prozentpunkte. Bei einer so gewaltigen Spanne muß doch mindestens eine der beiden Seiten meilenweit von der Realität entfernt sein.

Da werden ungewohnt extreme Positionen vertreten, die beide jenseits des realistischen Bereiches sind. Die Arbeitgeber etwa gehen erstmals seit Anfang der 60er mit der Forderung nach Lohnsenkung in die Verhandlungen. Nach Ansicht des DIW sind zwei Prozent Lohnzuwachs zu verkraften.

Neben den Prozenten will die IG Metall auch Beschäftigungssicherung erreichen...

...und damit macht sie einen Salto rückwärts. Auf der einen Seite will die IG Metall Flächentarifverträge, gleichzeitig fordert sie Beschäftigungssicherung. Die kann es aber auf Verbandsebene nicht geben, sondern höchstens auf Betriebsebene. Mit dieser Forderung schießt die IG Metall ein Eigentor.

Bei so extremen Ausgangsforderungen bedeutet ein Kompromiß doch für beide Seiten einen Gesichtsverlust.

Das ist richtig. Als die Arbeitgeber im vergangenen Jahr die Tarifverträge gekündigt haben, haben sie die Konsequenzen offenbar nicht bedacht. Wie der Zauberlehrling, der die bösen Geister gerufen hat und sie nicht mehr loswird. Die Mitglieder des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall hatten danach natürlich große Erwartungen und können jetzt nur enttäuscht werden. Und sie müssen auch enttäuscht werden, weil minus zehn Prozent konjunkturpolitisch fatal wären.

Sowohl Gewerkschaften als auch Arbeitgeberverbände haben Probleme damit, ihre Mitglieder zu halten. Wird dieses Hin und Her aus Warnstreiks, gescheiterten Verhandlungen und Gesprächsterminen in letzter Minute den Trend weg von den Verbänden und hin zu Betriebsvereinbarungen nicht beschleunigen?

Das ist richtig, und diese Entwicklung ist auch sehr bedenklich. Die deutsche Volkswirtschaft hat jahrzehntelang von den Flächentarifverträgen profitiert. Und auf einmal geht die Entwicklung in die andere Richtung, unter anderem weil sich Arbeitgeber und Gewerkschaften mit ihren Forderungen jenseits des Realisierbaren bewegen.

Innovative Vereinbarungen werden momentan, wie etwa bei VW, in den Betrieben getroffen.

Aber VW ist auch ein anderer Fall. Dort wurden schon immer Firmentarifverträge zwischen Firmenleitung und Betriebsrat ausgehandelt. Außerdem ist die wirtschaftliche Lage bei VW eine besondere. Interview: Silvia Schütt

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