: Einblick (173)
Alexej Meschtschanow, Künstler
taz: Welche Ausstellung in Berlin hat Sie zuletzt an- oder auch aufgeregt? Und warum? Alexej Meschtschanow: Die unlängst vergangene Kunstmesse fand ich psychisch aufreibend. Ich hatte das Gefühl, dass die letzten Festungen des Anstands gefallen sind. Traurig, wenn vor aller Augen, ohne jegliche Bemühung um Ideale, künstlerische Haltungen oder wenigstens Illusionen an den entblößten Hebeln der Vermarktungspolitik gezogen wird. Das Geschrei um die Skulptur ist so laut und grobschlächtig, dass man sich Ohrstöpsel besorgen möchte.
Welches Konzert oder welchen Klub können Sie empfehlen? Ein heißer Tipp wäre die Rathausklause zu Weißensee in der Berliner Allee. Gegen 13 Uhr ist die Stimmung bereits merklich angehoben. Das Lokal verfügt über einen so genannten „doofen Tisch“, der gelb angestrichen und so raffiniert im Raum platziert ist, dass Künstler und andere kreative Elemente, zu welchen auch ich gehöre, automatisch Platz daran nehmen. Man wird trotzdem nett bedient, die Kellnerin setzt sich zu einem und wechselt ein paar mitfühlende Worte. Die Kartoffelsuppe ist definitiv besser als die im Metzer-Eck.
Welche Zeitschrift/welches Magazin und welches Buch begleitet Sie zurzeit durch den Alltag? Zeitschriften lese ich meistens beim Friseur, nur Schrott, ansonsten begleitet meinen Alltag Fernando Pessoas „Das Buch der Unruhe“. Nichts für schwache Nerven. Mich bringt es zuverlässig in die leicht verstörte Verfassung, die ich zum Arbeiten brauche. Man erlebt ja sonst nichts Schlimmes.
Welcher Gegenstand/welches Ereignis der Alltags macht Ihnen momentan am meisten Freude? Ich emigriere täglich in mein Weißenseer Atelier. Morgens decke ich meinen Bedarf an Lebensmitteln und Materialien ab. Ich arbeite nicht effizient. Ich bleibe so lange im Atelier, bis es einfach zu spät ist, sich mit jemandem zu verabreden. Keine Freunde, keine Frauen, keine Spaziergänge durch Prenzlauer Berg. Meine Wohnung befindet sich auch in Weißensee. Ich weiß noch nicht, ob das der rechte Weg ist, sich Probleme vom Hals zu schaffen.