: Einblick (159)
Judith Karcheter, Künstlerin/zurzeit Teilnehmerin am Goldrausch Künstlerinnenprojekt
taz: Welche Ausstellung in Berlin hat dich zuletzt an- oder auch aufgeregt? Und warum? Judith Karcheter: Die Ausstellung „Think while you shoot“ des ungarischen Fotokünstlers Martin Munkácsi im Martin-Gropius-Bau (bis 6. 11.) hat mich beeindruckt. Die Schwarzweißfotos von Munkácsi vibrieren vor Dynamik, Geschwindigkeit und Mobilität, die er über alles liebte. Außerdem lassen sich in der Ausstellung neben klassischen Modefotos – die Munkácsis unstillbaren Hunger „nach der Frau“ verraten – sehr ungewöhnliche und abstrakte Kompositionen finden. Beispielsweise die eines haarsträubenden, den Rücken streckenden schwarzen Katers direkt neben einer kleinen, brückeschlagenden Akrobatin.
Welches Konzert oder welchen Klub kannst du empfehlen? Freunde von mir werden am 11. September im Club KuLe in der Auguststr. 10 um 22 Uhr ein Konzert geben. Marcello Busato (percussion), Arthur Rother (guitar), Pablo Juanes (electronics) sind die Musiker und sie werden zu experimentellen Filmen spontane und eigenwillige Improvisationen vorstellen.
Welche Zeitung, welches Magazin und Buch begleitet dich zurzeit durch den Alltag? Im Augenblick lese ich Flauberts „Salambo“ und bin fasziniert davon, wie exakt er sich in die blutrünstigen Zeiten der Punischen Kriege hineinversetzen konnte. Er entwickelte detaillierte Vorstellungen einer Geschichte, die tatsächlich um Karthago herum hätte stattfinden können. Mich begeistert daran, wie facettenreich sich „Vorstellungskraft“ äußern kann, und benutze sie immer wieder als Ausgangspunkt für meine eigenen Arbeiten. Aus dem Radio springen mir die Nachrichten entgegen, während ich durch Hochglanz-Modemagazine blättere, um die neuesten Kreationen zu begutachten. Ich werde dabei das Gefühl von kalter Lust, die sich faszinierend über Gesicht und Körper der Abgebildeten zieht, nicht los und werde es wohl für diesen Tag eine Weile mit mir herumtragen.
Welcher Gegenstand/welches Ereignis des Alltags macht dir am meisten Freude? Es ist wohl immer wieder das Saxofon, das mich täglich beschäftigt. Es macht mir jeden Tag klar, in welcher Verfassung ich mich gerade befinde, und hilft mir, auch in sehr aufregenden Zeiten Ruhe zu bewahren.