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KOMMENTAREEin typischer Engholm

■ Der SPD-Vorsitzende und die Suche nach dem SPD-Kanzlerkandidaten

Egal wer es letztlich macht — Hauptsache, es fällt endlich eine Entscheidung: Seit Anfang des Jahres sieht sich der Vorsitzende der SPD, Björn Engholm, mit dieser Stimmung in der Fraktion und dem Apparat der Partei konfrontiert. Solange die Personalfrage nicht geklärt ist, kann man ja kein Sachthema mehr rüberbringen, ist eine der häufigsten Klagen aus der Fraktion. Gestern versuchte es Engholm dennoch. Gemeinsam mit seinem potentiellen Konkurrenten Oskar Lafontaine bemühte er sich, der Republik das Programm der größten Oppositionspartei für „Deutschland 2000“ zu verklickern. Was kam, war eine Wundertüte vager Ideen — doch tatsächlich interessierten sich alle wieder nur für die Frage: Sagt er nun, ob er's macht, oder sagt er's nicht?

Was kam, war ein typischer Engholm: Nicht etwa bei der gestrigen Pressekonferenz, aber immerhin noch in diesem Monat will der Kieler Landeschef seiner Partei nicht einen Kandidaten, dafür aber ein Verfahren vorschlagen, nach dem der kommende Kanzlerkandidat gekürt werden soll. Man kann sich geradezu bildlich vorstellen, wie die Partei sich nun die Haare rauft. Fraktionschef Hans-Ulrich Klose, der vor der Jahreswende erstmals öffentlich eine Entscheidung angemahnt hatte, versuchte gestern das Beste daraus zu machen und interpretierte Engholms unglückliche Aktion flugs in eine verklausulierte Anmeldung des Parteichefs für den vakanten Posten um. Vergleichbar spitzfindig dürfte der größte Teil der bundesdeutschen Öffentlichkeit nicht sein. Das Engholmsche Verwirrspiel verstärkt vielmehr den bereits vorhandenen Eindruck einer eklatanten Entscheidungsschwäche des großen Vorsitzenden, die ihn indirekt als Herausforderer Helmut Kohls bereits jetzt disqualifiziert.

Für die Partei ist dieses Trauerspiel ein Desaster: Noch bevor es überhaupt richtig losgeht, vermittelt sie als einzig erkennbare Botschaft an ihre potentielle Wählerschaft, daß sie offenbar niemanden hat, der sich traut, gegen Kohl anzutreten. Erst verweigert Lafontaine den Fraktionsvorsitz und die harten Oppositionsbänke in Bonn, dann wird krampfhaft nach einem Parteivorsitzenden gefahndet, und nun kommt noch ein endloses Kandidatenroulette um den Kohl-Herausforderer. Die Personalnot spiegelt die Not in der Sache. In allen wichtigen Fragen zeigt die SPD sich ohne erkennbare Linie. Außenpolitik, Asylpolitik, Steuer — überall gibt es Meinungsvielfalt ohne politische Konsequenzen. Kohl muß sich vor allem möglichen ängstigen — nur nicht vor dieser Opposition. Jürgen Gottschlich

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