: „Ein sympathischer Betrüger“?
■ Der Chef des „Kinderhilfswerks für Afrika“ wurde wegen versuchten Betruges zu 21 Monaten Bewährungsstrafe verurteilt
Überraschend schnell ging gestern der Prozeß gegen den Vorsitzenden des Vereins „Kinderhilfe für Afrika“ zu Ende. Der 68jährige Kaufmann Hans-Dietrich Mehl wurde zu einer Bewährungsstrafe von 21 Monaten und einer Geldbuße von 10.000 Mark verurteilt. Außerdem wurde dem Chef der dubiosen Spendenorganisation die Auflage erteilt, binnen drei Monaten den Vorsitz des Vereins niederzulegen und ab sofort nicht mehr für Spenden, Mitgliedschaft, Patenschaften oder Ähnliches zu werben.
„Ich kann nur hoffen, daß jeder mitbekommt, was das Kinderhilfswerk eigentlich ist und keiner mehr spendet“, hatte Staatsanwalt Koepnik sein Plädoyer beendet. Mehl sei ein Abenteurer, das „Kinderhilfswerk“ sein Lebenstraum und sein Engagement vielseitig gewesen, „vom Aufbau einer Hühnerfarm bis zum Abstecken von Goldgräber-claims“. Da seien Altkleider unter dem Deckmantel „Kinderhilfe für Afrika“ verkauft und Mitgliederwerbung betrieben worden mit einem Provisionsanteil von 50 Prozent.
„Sie haben dem Gericht viel Arbeit gemacht“, betonte Koepnik. Übriggeblieben sei „als Spitze des Eisberges“, der Postkartenbetrug. Vielmehr „versuchter Betrug“, wie der Staatsanwalt korrigierte. Denn es könne nicht nachgewiesen werden, aus welchen Motiven die Menschen die Postkartenpäckchen kauften, die Drücker-Kolonnen zum überteuerten Preis von 19 Mark 80 an der Haustür feilboten.
Wie bereits gestern berichtet, hatte der Angeklagte vor Gericht zugegeben, er habe diesen Leuten „ein Instrument in die Hand gegeben, um Betrug zu begehen“. Tatsächlich kamen von den 2,17 Millionen Mark, die von 1983 bis 1986 gespendet wurden, nur 439.000 Mark in Ghana an. Heute noch fließen monatlich 40.000 bis 70.000 Mark auf das Konto der vermeintlichen Kinderhilfsorganisation, die in Wirklichkeit ein Familienunternehmen ist.
Doch Mehl selbst, den der Staatsanwalt einen „vielleicht sympathischen Betrüger“ nannte, hatte vom Postkartenverkauf abzüglich der Druckkosten nur 150.000 Mark behalten. 15 Mark vom Erlös der Päckchen behielt die Drückerorganisation. Mehl habe nur, so sein Verteidiger Otto, den guten Willen aber keinerlei Erfahrung gehabt und hätte sich schließlich der Realität beugen müssen, „daß keiner bereit ist, umsonst zu sammeln“.
„Es tut mir weh, was der Staatsanwalt mir vorwirft“, sagte der Angeklagte zum Schluß. Die Beredsamkeit vom Vortag, an dem der weißhaarige Mann wiederholt erklärte, daß er doch einiges in Ghana bewegt habe – die Polio-Schutzimpfung von 30.000 Kindern, der Tiefbrunnen beim SOS-Kinderdorf, die neue Bettwäsche in umliegenden Hospitälern – , war verflogen. Er nahm das Urteil an.
Kaija Kutter
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