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Ein strahlender Verlierer

■ Nölle freut sich, wird aber nur Zweiter Bürgermeister / Scherf bleibt vier Jahre Chef

Ein wenig abgekämpft wirkte Henning Scherf (SPD) gestern nach den Fraktionssitzungen. Er lächelte zwar, aber als strahlender Sieger präsentierte er sich nicht. Spitzenkandidat Ulrich Nölle hingegen hob seine Hand und spreizte Zeige- und Mittelfinger zum Siegeszeichen. Doch das war reiner Zweckoptimismus. Der Mann, der antrat, um „Bürgermeister zu werden und sonst gar nichts“, hat sein Ziel nicht ganz erreicht. Er wird Zweiter Bürgermeister – Präsident des Senats wird Henning Scherf. Nölle wird dafür Finanzsenator. „Damit geht ein wichtiges Querschnittsressort an die CDU“, freute sich Nölle.

Die SPD stellt den Präsidenten des Senats, der Bürgerschaftspräsident kommt dafür aus der CDU. Das ist der Handel, auf den sich CDU und SPD auf den Fraktionssitzungen jeweils einstimmig geeinigt haben: Der Abgeordnete Reinhard Metz kandidiert für den Posten des Bürgerschaftspräsidenten. Daß er ihn bekommt, ist so gut wie sicher: Sogar Scherf ist über die Kandidatur nach eigenem Bekunden „froh“. Claus Dittbrenner, der ehemalige Fraktionschef der SPD, hatte ebenfalls nach der Klingel gegriffen – jetzt hat er das Nachsehen. Er will sich nun als Vizepräsident des Parlaments bewerben.

Auf den freien SPD-Fraktionsvorsitz hofft jetzt Noch-Finanzsenator Manfred Fluß, der das Ressort an Nölle abgeben muß. Hinter den Kulissen soll das für Zündstoff gesorgt haben. Henning Scherf meinte allerdings, Fluß habe selbst gesehen, „daß es in einem Senat mit nur acht Menschen für ihn eng wird.“

Eng geworden ist angeblich auch die Zeit für die Wahl des SPD-Fraktionsvorstandes. Die Wahl war für gestern angesetzt, wurde aber vertagt – auf Vorschlag von Henning Scherf. Offizielle Begründung: Die Diskussion um die Arbeitsstrukturen dauern noch an. Es wird jedoch gemunkelt, daß Scherf sich einen anderen Fraktionsvorsitzenden wünscht als Manfred Fluß. Doch über Personalentscheidungen mag Henning Scherf im Moment nicht reden. Daß von ihm erwartet wird, daß zwei der vier SPD-Senatsressorts mit Frauen besetzt werden sollen, weiß er. Parteichefin Tine Wischer soll als Umweltsenatorin im Gespräch sein.

Weitere Personalentscheidungen werden erst auf der Klausurtagung vom 23. bis zum 25. Juni getroffen. Das Ergebnis liegt fast auf der Hand: Da die CDU das Finanzressort übernimmt, fällt das Wirtschafts- und Hafenressort an die SPD. Uwe Beckmeyer wird also wieder mit von der Partie sein. Er war jüngst ins Kreuzfeuer der Kritik geraten, weil er den Pachtvertrag mit einer Holzfirma am Hohentorshafen eigenmächtig verlängert hatte. Sein Bonus: Er kommt aus Bremerhaven, und das kommt aufgrund des Regionalproporzes einem Abonnement für ein Senatsressort gleich.

Auswärtiger Bewerber seien nicht im Gespräch, betonten Nölle und Scherf einmütig.Auch wenn es bei der Personalentscheidung noch Unstimmigkeiten gibt – zum eisernen Sparwillen haben sich sowohl Nölle als auch Scherf ausdrücklich bekannt. Im öffentlichen Dienst will Scherf über die nächsten vier Jahre etwa ein Prozent der Personalkosten einsparen. Rund 50 Millionen Mark sollen im Jahr durch Gebührenerhöhungen eingeommen werden, unter anderem auch durch die Erhöhung von Gewerbesteuern und Kindergartengebüren. Außerdem sollen sämtlichen Zuschußträger der öffentlichen Hand zehn Prozent der Zuschüsse gekürzt werden. kes

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