■ Vergewaltigung in der Ehe ist immer noch nicht strafbar: Ein sexueller Selbstbedienungsladen
„Die Ehe ist kein sexueller Selbstbedienungsladen.“ Mit diesem Satz begründete das Münchener Amtsgericht 1992 sein Urteil gegen einen Mann, der seine Frau vergewaltigt hatte. Doch was da – angestoßen durch die Diskussionen der westdeutschen Frauenbewegung – zaghaft Eingang in die bundesdeutsche Rechtsprechung fand, ist noch weit von einer adäquaten Gesetzgebung entfernt. Kommt Zeit, kommt Rat, kommt eines fernen Tages auch Gesetz, ist hier die Devise. Und nach ihr verschleppen bundesdeutsche PolitikerInnen schon seit mehr als zwanzig Jahren eine Reform der entsprechenden Paragraphen 177 und 178 des Sexualstrafrechts.
Schon 1973 brachte die SPD-Fraktion einen Antrag in den damaligen Sonderausschuß zur Strafrechtsreform ein, nach dem die Vergewaltigung in der Ehe unter Strafe gestellt werden sollte. Bei der Abstimmung im Ausschuß fehlte der SPD nur eine Stimme. So knapp sollte es nie wieder werden. Ein weiterer SPD-Antrag Hamburgs scheiterte damals schon im Bundesrat. Bis in die 80er galt den Bonner ParlamentarierInnen fürderhin: Der Staatsanwalt hat unterm Ehebett nichts zu suchen. Erst 1983 brachte die SPD erstmals einen Gesetzentwurf in den Bundestag ein, der auch eheliche Vergewaltigungen strafrechtlich verfolgt sehen wollte. Dem Entwurf erging es nicht anders als allen noch folgenden, die SPD und Grüne bis in die 90er Jahre hinein dem Bundestag vorlegten: Nach kontroverser Debatte wurde er in die zuständigen Ausschüsse verwiesen und schmorte dort so lange, bis die Legislaturperiode geschafft war.
Unionsparteien und Liberale hielten sich die ganze Zeit über vornehm zurück. Ein Versuch der früheren Frauenministerin Rita Süssmuth scheiterte Mitte der 80er Jahre schon CDU-intern kläglich. Ihre Nachfolgerin Ursula Lehr gab 1989 denn auch nur noch die Parole aus: „... weiter debattieren!“
Seit 1991 ist Vergewaltigung in der Ehe selbst im Lande der wertkonservativen Briten ein Straftatbestand, doch in Bonn wird weiter blockiert. Und daran ändert auch nicht der vollmundige Ausspruch von Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) etwas, die am Mittwoch verkündete, die Regierung wolle nun endlich die eheliche Vergewaltigung unter Strafe stellen. Doch dies wird folgenlos bleiben. Denn die Ministerin hat innerhalb der Regierungskoalition keine Durchsetzungskraft. Und Willensbekundungen des Kabinetts gehören einfach zum Regierungsspiel dazu: Sie bleiben folgenlos, denn auch ein Gesetz aus dem Hause der Justizministerin wird an den familienorientierten Werten konservativer UnionspolitikerInnen scheitern. Karin Flothmann
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