Portrait: Ein schweres Erbe
■ Njongonkulu Ndungane
Viele Gläubige in der Anglikanischen Kirche Südafrikas sind überzeugt, daß der Mann seinem afrikanischen Vornamen gerecht wird. Njongonkulu bedeutet soviel wie „große Vision“. Die wird Winston Njongonkulu Ndungane, neuer Erzbischof von Kapstadt und damit zugleich Oberhaupt der Anglikanischen Kirchen im südlichen Afrika, auch brauchen. Das moralische und politische Erbe, das sein Vorgänger Desmond Tutu hinterläßt, ist fast übermächtig.
Und Tutu gab seinem Nachfolger auch gleich mahnende Worte mit auf den Weg. Die Zeit, in der die Kirchen nur eine „Anti-Haltung“ einnehmen könnten, sei vorbei, erklärte er in seinem Abschiedsgottesdienst am vergangenen Sonntag in Kapstadt. „Wir waren diejenigen, die gegen die Apartheid waren. Jetzt müssen wir viel deutlicher zeigen, wofür wir sind.“ Die Anglikanische Kirche in Südafrika brauche eine jüngere Führung, die klare Visionen habe. Doch Ndungane ist auch schon 55 Jahre alt, und er kommt ebenfalls aus der Anti-Apartheid-Tradition, ist aber viel weniger bekannt. Anfang der 60er Jahre, als junger Student in Kapstadt, trat er dem radikalen „Panafrikanischen Kongreß“ (PAC) bei und engagierte sich im Widerstand gegen die restriktiven Paßgesetze der Apartheid-Regierung. Drei Jahre mußte er dafür ins Gefängnis: Von 1963 bis 1966 war Ndungane als politischer Gefangener auf Robben Island. Erst danach wandte er sich der Theologie zu. Den „Ruf Gottes“ habe er während seiner Haft erhalten, sagt er heute. Ndungane durchlief seine theologische Ausbildung in Südafrika und am King's College in London. 1973 wurde er in Kapstadt Diakon, 1974 Priester und 1991 Bischof in Kimberley. Ndungane gilt als Organisationsgenie, über das Charisma und den Humor Tutus verfügt er aber nicht.
Daß mit Ndungane zum zweiten Mal ein Schwarzer ins höchste Amt gewählt wurde, zeigt, daß die Anglikanische Kirche sich der Einsicht gebeugt hat, daß 80 Prozent ihrer zwei Millionen Mitglieder schwarzer Hautfarbe sind.
In seinem ersten öffentlichen Auftritt am Mittwoch trug Ndungane der nötigen Neuorientierung der Kirchen Rechnung – weg von der Politik. „Eine der größten Herausforderungen ist die Bekämpfung der Armut“, erklärte er in Kapstadt. „Wir als Christen müssen dafür sorgen, daß die Menschen alles Nötige für ein menschenwürdiges Leben haben.“ Kordula Doerfler
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