Analyse: Ein schlechter Krimi
■ Die Details der Ermittlungen gegen Clinton langweilen das Publikum
Der Bericht des Sonderermittlers Kenneth Starr werde etwa den Umfang eines Buches haben und der Öffentlichkeit zugänglich sein, sagte Newt Gingrich, Vorsitzender des US-amerikanischen Repräsentantenhauses, am Wochenende. Das Beweismaterial aber werde geheim bleiben. Ob das ein spannendes Buch wird? Kein Mensch würde Krimis lesen, die sich derart in Detailfragen verlieren. In den USA macht das derzeit die ganze Nation.
Waren es erst die Vernehmungen von Kammerdienern und Leibwache, die Analyse von Kleidungsstücken und Besuchsbüchern im Weißen Haus, die die Öffentlichkeit in Atem hielten, sind es jetzt eher ans Sophistische grenzende juristische Fragen. Clinton hatte bei seiner Vernehmung im Januar durch die Anwälte der Paula Jones bestritten, mit Monica Lewinsky je ein sexuelles Verhältnis gehabt zu haben. Nach Clintons Beichte geht es um die Frage, ob der orale Sex welcher war. Wichtiger noch ist die Frage, ob eine Falschaussage unter Eid in diesem Fall ein wirklicher Meineid ist, denn dazu muß sie von materieller Bedeutung sein – was aber, wenn es die Rechtsmaterie des Falls Paula Jones nicht mehr gibt?
Dann geht es um die knifflige Frage, ob das Ansinnen Clintons an Monica Lewinsky, seiner Sekretärin Geschenke zurückzugeben, um sie nicht den Anwälten der Paula Jones ausliefern zu müssen, die deren Zulassung als Beweismittel in ihrem Verfahren beantragt hatten, auf die Unterschlagung von Beweismitteln hinausläuft. Zu guter Letzt spielt die Frage eine Rolle, ob der Präsident durch das Tragen einer ihm von Monica Lewinsky geschenkten Krawatte just am Tag ihrer Vernehmung ihr hatte ein Signal senden und damit die Zeugin habe beeinflussen wollen.
Strafermittlungen müssen vielleicht so sein. Spannend ist das nicht. Newt Gingrich scheint dem Rechnung tragen zu wollen, indem er zweierlei verspricht: Erstens bekommt die Nation den Krimi in seiner Gänze zu lesen. Zweitens: Wenn er nicht gut ist, wird der Bericht keine Folgen haben. Für einen Seitensprung allein wird das Parlament sich nicht mit einem Amtsenthebungsverfahren ins Zeug legen.
Newt Gingrich reagiert auf die Kluft, die sich zwischen Washington und dem Rest des Landes aufgetan hat. Während in Washington der Lewinsky-Skandal Politiker und Medien in Atem hält, signalisiert die Mehrheit der Bevölkerung außerhalb, daß sie der Fall schon lange nicht mehr interessiert und daß sie sich über Washingtons Nabelschau-Klima gründlich ärgert.
Diese Kluft ist gefährlich. Niemand weiß das so gut wie Gingrich, den der Ärger über Washington 1994 an die Macht brachte. Im November dieses Jahres wird das Repräsentantenhaus neu gewählt. Peter Tautfest
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