piwik no script img

Ein neuer Gast bei der EU

Slowenien nimmt jetzt erstmals an einem EU-Gipfel teil. Die Assoziierung mit der EU bringt Reformstaaten jedoch negative Handelsbilanzen  ■ Von Dietmar Bartz

Prešov (taz) – Zum ersten Mal nimmt heute der slowenische Ministerpräsident Janez Drnovsek in Florenz an einem EU-Gipfel teil. Das Land hat jetzt offiziell einen Assoziationsvertrag mit der EU abgeschlossen – Voraussetzung für den späteren Beitritt. Montag feiert die Republik Slowenien ihren 5. Geburtstag: Am 24.6. 91 erklärte die Nationalversammlung in Ljubljana den Staat für unabhängig und besiegelte damit das Auseinanderbrechen Jugoslawiens.

EU-Gegner und -Befürworter in Slowenien sind bemüht, die wirtschaftliche Bedeutung der Assoziation herunter- beziehungsweise hochzuspielen. Im Vordergrund des Abkommens steht der beidseitige Abbau von Zöllen und Quoten, um die Wirtschaften stärker miteinander zu verflechten, bis nach zehn Jahren eine für fast alle Produkte geltende Freihandelszone erreicht ist.

Die auch „Europa-Abkommen“ genannten Vereinbarungen enthalten eine pfiffige Regelung, um die schwachen Reformwirtschaften nicht gleich der hochentwickelten EU-Konkurrenz auszusetzen: die „Asymmetrie“. In den ersten fünf Jahren geht die EU bei der Öffnung ihrer Märkte in Vorleistung, während die Assoziierten erst in der zweiten Hälfte nachziehen. Damit sollen die Reformländer in den ersten fünf Jahren die Einnahmen erwirtschaften, mit denen sie die Modernisierung ihrer Wirtschaften finanzieren sollen, um danach gegen die EU-Waren bestehen zu können.

Welche quantitative Bedeutung diese Bestimmungen bringen, ist von Land zu Land unterschiedlich. Für Polen im Jahr 1994 hat dies Andrzej Byrt vorgerechnet, damals Staatssekretär im Außenwirtschaftsministerium und inzwischen polnischer Botschafter in Bonn. 1994 wuchs das polnische Bruttosozialprodukt um sechs Prozent, wovon fast zwei Drittel auf die Exporte entfielen. 60 Prozent der Ausfuhren gingen in die EU, wovon wiederum 20 Prozent durch den freieren Zugang nach der Assoziation verursacht waren. Ergebnis: 0,43 der sechs Prozent Wirtschaftswachstum in Polen gehen auf das Abkommen zurück – ein durchaus ansehnlicher Wert.

Doch alle Assoziationsabkommen haben trotz einer Nachbesserung im Jahr 1993 nicht verhindert, daß die Handelsbilanzen der beteiligten Länder in die roten Zahlen gerutscht sind, sie also doch mehr Waren aus der EU einführen als dorthin exportieren. Tschechische Wirtschaftspolitiker bestehen darauf, daß kein Anlaß zur Sorge bestehe: Das Handelsbilanzdefizit sei nicht problematisch, weil der Großteil der Importe für die Modernisierung der Wirtschaft eingesetzt werde. In der Slowakei hingegen sind die Experten beunruhigt, denn das schnell zunehmende Defizit geht vor allem auf den explosionsartig anwachsenden Pkw-Import zurück – keine Investitions- sondern Konsumkäufe also, die nur den slowakischen Umweltminister begeistern: Mit der Modernisierung der Fahrzeuge würden die Abgasemissionen reduziert, glaubt er, obwohl durch die Importe kein stinkender Altskoda weniger gefahren wird.

Computersimulationen deuten darauf hin, daß eine Assoziation für die slowenische Wirtschaft insgesamt leicht vorteilhaft wäre. Wachstumsschübe wären vor allem in der Fisch- und Lederindustrie, im mittleren Technologiebereich (Maschinen, Fahrzeuge, Elektro), im Bau und bei den Dienstleistungen zu erwarten. Schrumpfen werden vermutlich die Landwirtschaft und Grundstoffindustrien wie Chemie, Steine und Erden sowie die Textil- und Kunststofferzeugung.

Zuerst aber wird die slowenische Exportindustrie von einem ganz anderen Nachteil getroffen. Das Assoziationsabkommen löst einen Vertrag aus dem Jahr 1993 ab, in dem sich Slowenien die gesamten jugoslawischen Importquoten in die damalige EG angeeignet hatte. Die anderen Nachfolgestaaten hatten dagegen nichts ausrichten können. Serbien war infolge des Krieges bereits international isoliert, Kroatien hatte wegen Menschenrechtsverletzungen gerade großen Ärger mit dem Europaparlament. „Damit ging es uns hervorragend“, sagt ein slowenischer Ökonom, der ungenannt bleiben will. „Aber wir haben natürlich die ganze Zeit gewußt, daß es so nicht weitergehen würde.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen