: Ein mäßiges Maß an Glück
■ Mit dem Roadmovie gegen die Mittelmäßigkeit des Seins: New Hollywood im Metropolis
Robert weiß genau, woher er kommt. Und exakt deshalb will er dort auch weg. Weg vom Elternhaus, in dem die Familienmitglieder jede Form von Lebendigkeit unter ihren musischen Begabungen und patinösen Umgangsformen begraben. Fort, nur wohin? Erstmal hinaus auf die Straße, Freiheit atmen, Bewegung fühlen. Und dann hinein in fragwürdige Umarmungen vordergründiger Liebschaften und schlecht bezahlter Jobs. Manchmal wird die Vergangenheit bezwingbarer, wenn man deren Gegenteil ansteuert und, wie in diesem Fall, den Trash lebt. Daß am Ende Roberts Eingeständnis des eigenen Scheiterns wie eine Konklusion gehandelt wird, mag auf den ersten Blick wie eine Kapitulation vor einer eindeutig besetzten Lebensform wirken, deutet darüber hinaus aber auf das umfassende Recht auf Selbstbestimmung.
Five Easy Pieces – ein Mann sucht sich selbst war die erste Zusammenarbeit zwischen dem Regisseur Bob Rafelson und Jack Nicholson. 1970, also nur kurz nach Nicholsons Anti-Heldentum in Easy Rider, ließ Rafelson seinen zweifelnden Heroen nach Alternativen zum Gutbürgerlichen suchen. Das Metropolis zeigt diese Woche in Zusammenarbeit mit dem Radiosender FSK zwei Filme aus den 70ern, deren Macher damals die Kriterien des „New Hollywood“ erfüllten, indem sie die klassischen amerikanischen Leinwand-Themen neu deuteten. In den beiden Roadmovies sind es Menschen, die es auf ihrer Suche nach dem richtigen Leben auf die Landstraße verschlagen hat.
Auch die tingelnde Mutter und Sängerin Alice (Ellen Burstyn) in Alice Doesn't Live Here Anymore versucht ihren Traum von Ruhm zu verwirklichen. Martin Scorsese hat den Film 1975 inszeniert und sich dabei ganz dem Prinzip radikaler Durchschnittlichkeit verschrieben. Nichts an dem Leben von Alice scheint außergewöhnlich. Der Ehemann, ein so aggressiver wie biederer Getränkeauslieferer, und ein Sohn, der für seinen jungen Gefühlshaushalt noch keine Artikulationsweise gefunden hat, bilden den Rahmen für ein mäßiges Maß an Glück.
Erst als der Ehemann stirbt, begibt sich Alice auf Wanderschaft. Mobilität wird hier nicht als befreiendes Moment gehandelt, sondern als notwendige Bedingung zum Überleben. Dabei erscheint die Reaktivierung von Alice- Jugendtraum, Sängerin zu werden, wie ein Zufallsprodukt. Bis zum Schluß doch so etwas wie der rettende Prinz auftaucht und Alice mit ins richtige Leben nimmt. Ein „Happy end“ mit Würde, denn Alice hat nie gesagt, daß sie etwas gegen einen solchen Ausgang hätte.
In der Sendung „Breitwand“ stellen Urs Richter und Björn Vosgerau diese beiden Filme vor. Zudem erhalten alle Kinogänger freien Eintritt, die beim Besuch Fördermitglied des FSK werden.
Oliver Rohlf
Alice lebt hier nicht mehr: Fr, 22. Januar, 21.15 Uhr. Five Easy Pieces: Fr, 22. Januar, 23.15 Uhr, Metropolis. „Breitwand“ läuft jeden ersten und dritten Donnerstag im Monat von 10 bis 12.30 Uhr auf FSK (93.0 MHz).
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