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Ein liebes Freundestreffen im Lustgarten

■ Quarkkuchen und Widerstand beim Aktionstag gegen Rassismus und Neonazismus

Gegen Mittag hat sich der weite Lustgarten in Mitte allmählich gefüllt. Etwa zwei-, vielleicht auch dreitausend Menschen sind zu dem traditionellen antifaschistischen Mahntag gekommen, der seit Kriegsende regelmäßig am zweiten Sonntag im September stattfindet. Früher, als die DDR-Führung diesen Tag zu einem Kampftag für das eigene Regime umfunktionierte, mußten Hunderttausende an Ehrentribünen vorbeimarschieren. Jetzt heißt das Motto „Seid wachsam – schützt die Demokratie“ und erinnert an ein liebes Freundestreffen.

Man kennt sich aus der Bezirksgruppe der PDS, der Gewerkschaftsjugend, der „Volkssolidarität“ oder ganz bestimmt aus einer der vielen Widerstandsgruppen von Nazi-Verfolgten. Auch die DKP ist vertreten, ihr Parteiorgan UZ erscheint noch. Die Menschen, die sich hier jährlich am 12. September treffen, vor Rassismus und Neonazismus warnen und an Krieg und Diktatur erinnern, sind erfahrene und disziplinierte Antifaschisten mit Spanienkämpfer-Baskenmützen. Am Lustgarten treffen sich Großeltern. Die Lieder von Ernst Busch, gesungen vom Hans- Beimler-Chor, sind ihnen vertraut.

Ein Buchstand ist besonders umlagert, Hermann Kant signiert seinen „Abspann“. Den schönsten Quarkkuchen verkauft für eine Mark Solidaritätsbeitrag die Gesellschaft „Berliner Freunde der Völker Rußlands“. Irgendwo hängt ein rot-goldenes Fransentransparent mit dem ersten Gebot des ZK der KPDSU: „Es gibt nichts Erhebenderes und Edleres, als Lenin zu folgen, selbstlos für die Sache zu kämpfen, der er sein Leben widmete.“ Dicht daneben hat die Palästina-Gruppe Westberlin einen Stand aufgeschlagen, ausnahmsweise jüngere Leute. Das Arafat-Rabin-Autonomieabkommen sei „unmöglich“, erklärt ein herbeigeholter Sprecher, der nie den Krieg erlebt hat. Es betreffe nur zwei Prozent des gesamten palästinensischen Gebietes, der Libanon werde versuchen, seine Hunderttausenden von Flüchtlingen in den Gaza-Streifen abzuschieben. Der Vertrag sei ein Fatah-Alleingang. „Frieden kann es nur geben, wenn über Jerusalem und die von Israel 1967 besetzten Gebiete geredet wird.“ Eine Position, die Irene Runge vom Jüdischen Kulturverein sektiererisch nennt. Sie sei „ganz glücklich“, sagt sie, „aber wie setzt man den Frieden im Alltag um?“

Vom Podium hört man jüdischen Klezmer-Soul mit den abbrechenden Gigsern der Klarinette. Fast überstimmt sie eine Diskussionsrunde, die gut besucht ist. Es geht um die Neue Wache, die in zwei Monaten von Bundeskanzler Kohl zur „Zentralen Gedenkstätte Deutschland für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft“ erhöht wird. Wolfgang Ullmann, Bü-90-Bundestagsabgeordneter, will diese Neuauflage eines Kriegerdenkmals jetzt noch verhindern. „Wir müssen wegkommen von einer Geschichte der Sieger und Helden“, sagt er, „es geht um die Würdigung der Geschichte der Opfer.“ Einige der Opfer sitzen um Ullmann herum auf Klappstühlen. Sie nicken, und es fängt an zu regnen. Anita Kugler

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