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Ein laues Sommerstück

Werder gegen Rostock: Bremer Fußball ist reif für Platz 12  ■ von Wolfgang Rumpf

Im traurigen Monat November wars, als sich Werder Bremen und Hansa Rostock zum letzten Mal im Weserstadion gegenüberstanden – ein eisiger, sonniger Sonnabend mit ödem Aad de Mos-Gekicke. Mario Basler – schon auf dem Sprung auf internationale Bühnen, aus denen doch nur bayrische Bretter wurden – damals im Jackett in der Lounge, bedrängt von jenen, die die Bundesligarechte mittlerweile komplett im Sack haben: der SAT 1-Reporterschar. Damals ein glattes 0:2 : ein Elfmeter, verschuldet durch eine Baiano-Rempelei, ein Kontertor, bei dem Dieter Eilts und Frank Rost nur noch fassungslos die Lücken ihrer Abwehr bejammern konnten...

Grundlegendes hat sich in den Dixie-Dörner-Monaten dann doch nicht geändert – jedenfalls nicht an diesem Sommerabend mit seinen allerdings subtropischen 31 Grad Stadionhitze, als die Rostocker wieder im Weserstadion aufliefen: Ängstliches Mittelfeldgeplänkel unter südlichem Firmament, pomadiges Geschiebe ohne den rechten Drang nach vorn, alte Werderaner mit altbekannten Fehlern: Der ungeliebte Bernd Hobsch unbeweglich, ungelenk, irgendwie richtig ungeschickt und glücklos sowieso, Hany Ramzy elegant, schußgewaltig, aber immer ein wenig leichtsinnig, Mirko Votava kämpferisch, abgeklärt, routiniert. Werder wie gewohnt auch am Dienstagabend trotz der vielbeachteten neuen Mitstreiter Viktor Skripnik (fädelte sich ein), Jens Todt (naja) und Christian Brandt (könnte was werden) ohne Inspiration bis auf jenen, der die Fäden zieht, die Bälle holt, sie nach vorn treibt; Freistöße, die er teilweise geschickt durch theatralisches Festrennen provoziert, in den Strafraum zimmert. Doch der ist ein alter Bekannter, der einst in Werders Hierarchie den Konflikt mit dem eitlen Mario Basler verlor: Andy Herzog, Antreiber, Regisseur, Kämpfer über die ganze Distanz – und so war es kein Zufall, daß er in der 70. Minute von halblinks einen Freistoß hart und flach in den Strafraum hämmerte, so daß irgendein Bein oder Fuß (perfiderweise der Rostocker Fuß von André Hofschneider) den Rest besorgte. Ein unschönes Tor, ein grobes – aber wenigstens das 1:1. Elegant, ästhetisch, absolut gewaltfrei hingegen das Rostocker Tor von Jonathan Akpoborie aus der 40. Minute: Den Paß im Laufen angenommen, eine Drehung – Tor, ohne Chance für den sonst teilweise genialen Reck, der sich weit vor dem Tor in die Bälle warf, um die mitunter in Wellen drohende Niederlage zu verhindern.

Spannend, dramatisch geradezu die Schlußphasen der ersten und zweiten Halbzeit: Plötzlich herrschte sogar im Werderspiel enormer Druck, Torgefährlichkeit gar, Strafraumgetümmel. Wenn Werder über die Routine verfügte, Spiele in konzentrierten zehn Minuten zu entscheiden – egal welche Agonie die Spieler die Restzeit über beschlichen haben mag – es wäre das, wovon Trainer träumen: Unelegantes, ödes Spiel, aber trotzdem 2:0 gewonnen... – wofür die Liga die Bayern schon ewig haßt, diesen Trick haben sie jedenfalls raus und mit Bertis Nationalmannschaftstaktik gemein.

Die blauen Partner aus Bremens Partnerstadt machten jedenfalls erheblich mehr her, schöne Konter über rechts, viel Platz bis zum Strafraum, blitzschnelles Umschalten von Abwehr auf Angriff: Während die Werderprofis noch im Rostocker Strafraum herumtrödelten und langsam an die Heimkehr Richtung Reck dachten, hatten Stefan und Stefan (Studer und Beinlich) schon das Mittelfeld hinter sich und suchten den flotten Mann aus Nigeria, der bereits Votava umkreiste. Ästhetisch manchmal sogar richtig schön (der Paß zu Akpobories Tor!!), aber letztlich auch nur ein einziges Mal erfolgreich – den Rest erledigte Olli (Kompliment).

Insgesamt trotzdem ein Spiel, das Klassen besser war als das Rostock-Debakel vom letzten November, nur fehlt der Truppe noch die Phantasie, die Abstimmung, der Druck aus dem Mittelfeld (schrecklich, sich vorzustellen, Herzog wäre nicht zurückgekommen!), das schlüssige Abwehrkonzept – südländisch gefärbten Zauber erwarten wir ja nicht.

Werder zu Beginn der Saison: eine Mannschaft fürs grobe Mittelfeld, Platz 12 vielleicht. Und trotzdem: ein lauer, fast mediterraner Abend an der Weser. Ein unterm Strich gerechtes Ergebnis, debattiert im leisen Trubel der Straßencafés, unterlegt vom pulsierenden Discobeat aus Cabrioboxen. Bremen kann für ein paar Stunden jenseits seiner eigenen Klischees liegen und 24.300 Zuschauern eine angenehme Erinnerung schaffen – wie formulierte es doch Fußballtourist Bruno Labbadia vor der TV-Kamera in der Pause: In Bremen gefällt es mir „sehr, sehr gut“. Sogar die Kultursenatorin, von der bekannt ist, daß sie das Pierwoßsche Theaterleben meidet, wurde im Stadion gesichtet, um offenbar die alte Rehagel-Lemke-Pierwoß-Idee von der Allianz zwischen Fußball- und Theaterdramatik nachzuspüren. Eine völlig neue, großzügige Kulturpolitik? Ab sofort nur noch Sommerstücke? Sommernachtstraum im Weserstadion? Werder und das Goethetheater – bessere Zeiten könnten beiden guttun.

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