: Ein kurzer Freudentaumel
■ St. Pauli: Durch 1:0 gegen Wolfsburg für 2 Tage Aufstiegsplatz
Als der unglaublich pfeifende Schiedsrichter Hotop nach neunzig Minuten das Spiel abpfiff, konnten sich die erfolgsentwöhnten Anhänger des FC St. Pauli über eine Novität der besonderen Art freuen. Durch den 1:0-Heimerfolg gegen den VfL Wolfsburg stand der Kiezclub auf einmal auf dem 3. Platz der Zweitligatabelle – auf einem Aufstiegsplatz.
Ein Zustand zwar, der nur bis zum Sonntag währte – die Saarbrücker erdreisteten sich gegen Rostock zu gewinnen und der SV Meppen putzte 1860 München, beide Mannschaften schafften es also den FC St. Pauli zu überrunden – aber einer, der die Entourage des vormaligen Fußball-Underdogs sogleich veranlaßte, wieder von mehr zu träumen, sprich: siegesbesoffen den sofortigen Aufstieg ins Visier zu nehmen. Sie verweisen auf eine Serie von 10:2 Punkten, die die Mannschaft nach dem Ultimatum von Präsident Heinz Weisener (“ Vier Punkte aus zwei Heimspielen“) und der Solidaritätsnote der Spieler, doch das Spiel gegen Wolfsburg würden auch sie am liebsten vergessen. Es waren 22 Spieler auf dem Platz, das Spielgerät entsprach ebenso wie der Bekleidung der Schieds- und Linienrichter den allgemein gültigen Regeln. Doch das war in der ersten Spielhälfte und in weiten Teilen des zweiten Spielabschnitts das einzige, was das Treiben auf dem Rasen mit Fußball zu tun hatte. Okay, der Rasen war durch das Tauwetter ein einziger Matsch, der Fünfmeterraum eine einzige Pfütze. Zu sehen gab es so ein unansehnliches Grätschfestival – „Schlammcatchen“ wie eine Hamburger Boulevardzeitung resümierte – bei dem zeitweise die Grenze zur vorsätzlichen Körperverletzung bei weitem überschritten wurde. Von Bernd Hollerbach etwa, der außer durch Rempeleien auch noch durch einen rechten Leberhaken in Richtung seines Gegenspielers auffiel – außer dem Schiedsrichter, der dann aber dafür in der zweiten Hälfte neben den Wolfsburgern Gerstner (Gelb-Rot) und Reich (Rot) noch Toni Sailer (Rot) vorzeitig zum Duschen schickte.
Symptomatisch für das Gekicke: die Entstehung des spielentscheidenen 1:0 in der 73. Minute. Aus dem Strafraumkuddelmuddel kommt der Ball zu Martin Driller, der ihn über die Linie stocherte – und seinen Klub vorübergehend auf einen Aufstiegsplatz. kader
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