: Ein gutes Stück Rechtspopulismus
betr.: „Skrupellos und irrational“ von Patrick Moreau, taz vom 7. 8. 00
Der Druck von rechts ist, mensch kann es nicht übersehen, sehr stark. Das wird wohl auch am Montag dazu geführt haben, dass der Beitrag von Herrn Moreau abgedruckt worden ist. Damit hat die taz sich einen Bärendienst erwiesen, es sei denn, sie wollte die Naivität der Amadeu-Antonio-Stiftungs-Menschen und die der Heinrich Böll Stiftung vorführen (da fehlte allerdings dann der entsprechende Kommentar).
Ein Satz wie „Hinter der Forderung nach ‚direkter Demokratie‘ (durch Volksinitiativen, Volksbefragungen und Referenden) verbirgt sich der Wille der rechten Parteien, die Mechanismen der repräsentativen Demokratie zu beseitigen“ denunziert die Forderung nach direkter Demokratie als „rechts“. Da kann mensch dann gleich alle die, die die repräsentative Demokratie in ihrer gegenwärtigen Verfassung nicht für der Weisheit letzten Schluss halten, was ja manche Landesverfassungen und andere etablierte europäische Demokratien auch nicht tun, als verfassungsfeindlich bezeichnen. Das passt zu einer Methode, rechts und links gleich verfassungsfeindlich zu setzen.
Oder die Warnungen vor der gesellschaftlichen Modernisierung: „Die Abschwächung religiöser Bindungen geht mit einer Individualisierung von Lebensformen und einer Erhöhung der geographischen Mobilität hervor.“ Na bravo, der Vatikan brauchte Bischof Dyba nicht klonen lassen, Moreau tritt an seine Stelle. Könnten da die Forderungen der Bündnisgrünen nach einer radikalen Benzin- und die der Bahn nach Fahrpreiserhöhungen nicht systemstabilisierend wirken? Fritz Kuhn hat mehr als Recht: Die Grünen sind nicht nur wert-, sondern auch strukturkonservativ. Kein Wunder, dass die Böll-Stiftung die Veranstaltung mitgetragen hat. Mir fällt in dem Beitrag nichts auf, was mich davor bewahren könnte, ihn als ein gutes Stück Rechtspopulismus zu bezeichnen. Oder sind der Vortrag wie sein Abdruck einer dieser subversiven Tricks gewesen, die dazu beitragen sollen, bei Moreaus konservativen Freunden in der CDU und besonders der CSU Zweifel über dessen Standort zu erzeugen? Dann herzlichen Glückwunsch – und weiter so, als Nächstes vielleicht mit Horst Mahler?
GERO NEUGEBAUER , Berlin
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