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Ein großer Schritt für die Kleinen

FACHKRÄFTE ErzieherIn soll offiziell „Mangelberuf“ werden. Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) kündigte in dieser Woche an, dafür eine Bundesratsinitiative anzustoßen. Wir erklären, was das bringt

Wie ist es aktuell um den Mangel an ErzieherInnen bestellt?

Berlin hat seine Ausbildungskapazitäten an den Berufsschulen zwar seit 2010 verdoppelt: von 4.000 auf über 8.000 Studierende an den Berufsschulen. Doch auch der Kitaplatzausbau wird massiv vorangetrieben – und Kita-Träger klagen seit Jahren, dass sie Schwierigkeiten haben, offene Stellen zu besetzen.

Was bringt da das Label „Mangelberuf“?

Vor allem eine Erhöhungder Ausbildungsplatzkapazitäten auf Kosten des Bundes. Die Bundesagentur für Arbeit würde Quereinsteigern zum Beispiel eine Ausbildung zur ErzieherIn voll bezahlen. Bisher stellt die Arbeitsagentur sogenannte Bildungsgutscheine lediglich für zwei Jahre aus. Die ErzieherInnenausbildung dauert in Berlin aber drei Jahre – ob als Vollzeitausbildung an einer Berufsschule oder berufsbegleitend in der Kita. Zwar gibt es die Möglichkeit, nach den zwei Jahren auf dem Jobcenter-Ticket an den Fachschulen eine „Nichtschülerprüfung“ machen. Allerdings war die Durchfallquote hoch und das Interesse gering: Im Oktober 2014, hieß es in einer Antwort der Senatsbildungsverwaltung auf eine Anfrage der Linken, fiel knapp jeder Fünfte von nur 100 Prüflingen durch.

Was wäre sonst noch für die ErzieherInnen drin?

Mehr Gehalt. Da biete der Tarifvertrag der Länder, nach dem die rund 5.000 ErzieherInnen an den öffentlichen Berliner Kitas bezahlt werden, bei Mangelberufen mehr „Spielraum“, sagt Doreen Siebernik, Berliner Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft GEW. Freie Träger, die etwa 70 Prozent der rund 2.400 Kitas in Berlin betreiben, orientieren sich an den Tarifabschlüssen der landeseigenen Betriebe. Die Gewerkschaft sieht also eine Chance, auf diesem Wege ihre Uraltforderung durchzubringen: die Gehaltslücke zu den ErzieherInnen in den anderen Bundesländern zu schließen, die nach einem anderen Tarifvertrag bezahlt werden.

Wie viel verdient einE Berliner ErzieherIn bisher im Vergleich?

Eine Fachkraft verdient im nahen Brandenburg etwa 430 Euro mehr als in Berlin. Eine Differenz, die sich Berlin hinsichtlich seines Bedarfs an ErzieherInnen schlicht nicht mehr leisten könne, mahnt die GEW.

Wie sind die Reaktionen auf die Pläne der Bildungssenatorin?

Mit den Koalitionspartnern wäre der notwendige Senatsbeschluss für eine Bundesrats­initiative kein Problem. Die Grünen-Jugendpolitikerin Marianne Burkert-Eulitz findet Scheeres’ Vorstoß „richtig“. Man könne sich angesichts des prognostizierten Platzbedarfs – fast 20.000 Kinder im Kita-Alter mehr in den nächsten vier Jahren – ausrechnen: „Nur die Ausbildungsplatzkapazitäten nach oben zu schrauben reicht nicht.“ Auch die Linke fordert seit Jahren, dass der Bund die ErzieherInnenausbildung mitfinanzieren soll. (Schaden-)Freude bei der GEW: „Wir freuen uns, dass nun auch die Senatorin endlich von einem Erziehermangel in Berlin spricht“, so Landeschefin Siebernik. Scheeres’ Sprecher kontert: Den „hohen Bedarf“ habe man bisher immer realisiert.

Wie geht’s jetzt weiter?

Im Mai will Senatorin Scheeres bei der Konferenz der Jugend- und Familienminister für ihre Idee werben. Ihr Sprecher sagt, man sei anhand der Signale aus den Ländern „optimistisch, dass es zu einer gemeinsamen Initiative kommt“. Anna Klöpper

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