: Ein großer Konsens
■ Über den Umgang von Zeitungen mit Bekennerschreiben / Die Weitergabe an die Polizei als „völlig normaler Vorgang“ bei FR und Weser-Kurier
Die Reaktionen auf die Durchsuchung der Bremer taz durch BKA und Bundesanwaltschaft war eindeutig: Alarm! Selbst der als konservativ geltende Deutsche Journalisten-Verband sieht in der Polizei-Aktion die „freie Berichterstattung in höchster Gefahr“, und er lobt „ausdrücklich die konsequente Weigerung der Kolleginnen und Kollegen von der taz, das Ihnen von Informanten zum Zwecke der Berichterstattung anvertraute Material der Polizei auszuhändigen.“ Die Empörung in der JournalistInnenszene und ihren Verbänden ist groß – nur offensichtlich scheint die taz in ihrer Haltung, daß Materialien, die ihr anvertraut worden sind, nicht gleich in die staatlichen Ermittlungsbehörden wandern sollten, ziemlich allein dazustehen. Eine kleine Umfrage ergibt ein eindeutiges Bild: Wenn es um Bekennerschreiben geht, kann sich die Polizei ganz auf die Presse verlassen.
Gestern noch hatte die Frankfurter Rundschau die empörte Stellungnahme der Bremer taz zitiert, nur daß der Vorgang auch etwas mit dem eigenen Haus zu tun haben könnte, das scheint auch am Tag nach der Durchsuchung im fernen Frankfurt niemandem in den Sinn gekommen zu sein – obwohl die BKA-Beamten in Bremen mit dem Exemplar des Bekennerschreibens gewedelt hatten, das sie unaufgefordert von der FR-Redaktion zugesteckt bekommen hatten. Eine Diskussion in der FR-Redaktion? Keine Diskussion in der FR-Redaktion. „Das ist ein völlig normaler Vorgang“, sagt der stellvertretende Chefredakteur Jochen Ziemer. „Das machen wir immer so. Wenn wir so ein Schreiben kriegen, dann setzen wir uns sofort mit der Polizei und dem BKA in Verbindung. Aber das ist eigentlich gar kein Thema bei uns.“
Davon bekommt die Redaktion gar nichts mit, und wenn, wie im Fall der Roten Zora, dann scheint es sie nicht sonderlich zu interessieren. „Nein, Diskussionen hat das heute nicht gegeben“, berichtet Altredakteur Anton-Andreas Guha. Früher, als noch mehr Bekennerschreiben bei der FR eingegangen seien, da sei die Frage der Weiterleitung von der Chefredaktion gemeinsam mit dem Redakteur entschieden woprden, an den das Schreiben gerichtet worden sei. „Meistens sind die dann weitergegeben worden.“ Aber: „Das ist eine Riesensauerei, daß die Euch durchsucht haben.“
Freundliche Worte, keine Debatten in der Redaktion. Und wenn es Unmut gäbe, dann könnte der sich in der gewerkschaftsnahen FR kaum institutionell abgesichert Luft machen. Ein Redaktionsstatut, in dem die Rechte der RedakteurInnen festgelegt wären, existiert nicht. „Wenn es um solche Fragen geht, dann gähnen die jungen Kollegen nur“, sagt der Betriebsratsvorsitzende Viktor Kalla. „Ich denke aber auch nicht, daß die Weitergabe des Schreibens bei den Kollegen großen Unmut erzeugt hat.“
Wie in Frankfurt, so in Bremen. „Das ist bei uns ein eingefahrener Prozeß“, beschreibt Volker Weise, Chefredakteur des Weser Kurier, den Umgang mit Bekennerschreiben. „Ich gebe das an die Rechtsabteilung und die gibt es dann weiter an die Polizei. In der Regel sind diese Bekennerschreiben aber sowieso überall in der Republik aufgetaucht.“ Warum es über diese Verfahrensweise eine Diskussion geben sollte, das ist Weise fremd. „Das ist für mich eine völlig neue Problemstellung. Sie haben da vielleicht mehr Probleme.“ Und Diskussionen in der Redaktion gibt es über die Frage schon gar nicht. „Da erfahren wir gar nichts davon“, sagt ein Redakteur. J.G.
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