piwik no script img

Ein fürsorglicher Ehrenschutz für Soldaten

■ Bundestagsanhörung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, mit dem die Ehre der Bundeswehr gerettet werden soll. Kritiker: Angriff auf Meinungsfreiheit

Bonn (taz) – „Soldaten sind Mörder.“ Diesen Satz Kurt Tucholskys nennt Professor Reinhard Mußgnug von der Universität Heidelberg „eine abwegige Parole“. Michael Hepp von der Kurt-Tucholsky-Gesellschaft dagegen meint: „Wer den Satz – Soldaten sind Mörder– verbieten will, verabschiedet sich aus einer rund zweitausendjährigen europäischen Kulturgeschichte.“

Hart prallten gestern in der öffentlichen Anhörung des Bundestags-Rechtsausschusses die Meinungen der geladenen Sachverständigen aufeinander, die zum geplanten Gesetz der Bundesregierung zum Schutz der Ehre der Bundeswehr gehört wurden. Die Koalition will das Strafgesetzbuch durch einen neuen Paragraphen erweitern: „Wer öffentlich in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften Soldaten in Beziehung auf ihren Dienst in einer Weise verunglimpft, die geeignet ist, das Ansehen der Bundeswehr oder ihrer Soldaten in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“

Die Bundesregierung hält das neue Gesetz für nötig, weil in zunehmenden Maße Soldaten der Bundeswehr als Mörder bezeichnet worden seien. Gegner des Entwurfs sehen in dem neuen Paragraphen dagegen einen Angriff auf die Meinungsfreiheit.

Professor Friedrich Dencker von der Universität Münster wies gestern während der Anhörung in Bonn darauf hin, daß es bereits jetzt strafbar ist, „wenn Soldaten der Bundeswehr als Mörder bezeichnet werden“. Tatsächlich hat das Bundesverfassungsgericht eine klare Unterscheidung getroffen: Eine konkrete Beleidigung der Bundeswehr oder ihrer Angehörigen ist strafbar. Straflos bleibt hingegen die Kritik am Kriegshandwerk als solchem. Denckers Schlußfolgerung: Für ein neues Gesetz bestehe daher „kein Bedarf“.

Das sieht Professor Mußgnug ganz anders. Er schrieb in seiner schriftlichen Stellungnahme für den Ausschuß, der neue Paragraph werde „der Fehleinschätzung vorbeugen, der Meinungsfreiheit der Kritiker des Soldatenberufs und der Wehrpflicht gebühre stets der Vorrang vor dem Recht der Soldaten auf Achtung ihrer Ehre“. Er halte den Entwurf für „verfassungsrechtlich unbedenklich, rechtspolitisch sinnvoll und als gesetzgeberische Fürsorgemaßnahme zugunsten der Soldaten für geboten“.

Michael Hepp von der Tucholsky-Gesellschaft ging dagegen hart mit dem Gesetzentwurf ins Gericht: „Nach dem nun geplanten Gesetz hätten nach 1945 auch Martin Niemöller, die Nobelpreisträger Heinrich Böll, Albert Einstein, Max Born und zahlreiche andere kritische Köpfe verurteilt werden müssen.“ Bettina Gaus

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen