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Archiv-Artikel

„Ein bürgerlicher Aufklärer“

LESUNG Ein biographischer Roman rückt den missverstandenen Adolph Knigge ins rechte Licht

Reinhard Griebner

■ 59, stammt aus der DDR, ist Journalist und Autor von Erzählungen, Hörspielen, Kinder- und Jugendbüchern.

taz: Sie haben einen biographischen Roman über Adolph Knigge geschrieben. Was interessiert Sie heute noch an dem Mann, Herr Griebner?

Reinhard Griebner: Das Jahrhundert-Missverständnis, das sich mit dem Namen verbindet.

Knigge gilt – zu unrecht – immer noch als Benimm-Apostel.

Über viele Jahre ist übersehen worden, dass er einer bürgerlichen Moralität das Wort geredet hat und sich damit gegen seine eigene, die Adels-Klasse gestellt hat. Er wollte den Leuten sagen, wie man erfolgreich leben kann, ohne von Geburt an dazu prädestiniert zu sein. Das Missverständnis setzt sich bis heute fort: Es gibt den Hunde-, Computer- oder Telefon-Knigge.

Wie konnte es dazu kommen?

Nach Knigges Tod 1796 wurden seine Werke in kommentierter und ergänzter Form herausgegeben. Aus dem Titel „Über den Umgang mit Menschen“ leitete man dabei ab, dass es um gutes Benehmen, nicht um Moralität gehe. Man hätte das Werk nur genau lesen müssen. Er hat, nach der französischen Revolution, in seinem Buch in sehr herausfordernder Weise den Regenten gesagt, wie sie sich verhalten müssen, um einen Umsturz zu vermeiden.

Einigen gilt er als radikaler Demokrat oder gar früher Kommunist. Und Ihnen?

Für mich ist er ein bürgerlicher Aufklärer – der aber zu den schonungslosesten, aufregendsten gehört.

Schlussendlich kam er nach Bremen, wo er privilegiert im Dom begraben liegt.

Bremen war für ihn ein Strohhalm, nachdem er in einer finanziell sehr misslichen Lage gekommen ist. Er war um seine väterlichen Güter gebracht worden und bewarb sich, schon krank, 1790 in Bremen um die Stelle als Oberhauptmann, zuständig für die kurhannöverschen Besitzungen in Bremen. 1792 war er an der Eröffnung des ersten Bremer Theaters beteiligt, außerdem hatte er die Aufsicht über die Domkirche und schule.

Wollen Sie ihn rehabilitieren?

Dazu hat er mich nicht nötig. Er ist selbst stark genug. Int.: Jan Zier

19 Uhr, Zentralbibliothek, Am Wall