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Archiv-Artikel

Ein Traum in Himmelblau

DER PULLI Jogis Glückspulli ist Sinnbild seines neuen Stils. Mit ihm bescherte er dem Fußball eine neue Eleganz, eine neue Sanftheit. Und dem Hersteller Strenesse viel, viel Geld

Der Vertrag

■ Die Diskussionen um die Vertragsverlängerung von Joachim Löw gehen weiter. DFB-Präsident Theo Zwanziger will ihm nach einem Bericht der Bild einen Zweijahresvertrag mit einem angeblichen Jahresgehalt von 2,5 Millionen Euro vorlegen. „Langfristige Verpflichtungen sind nicht so gut, auch aus wirtschaftlichen Erwägungen. Es ist vernünftig, immer von Turnier zu Turnier zu denken“, sagte Zwanziger. Ob Löw darauf eingeht, wird sich erst kommende Woche entscheiden. Teammanager Oliver Bierhoff sagte: „Von dieser Nachricht wissen wir nichts. Hier passiert nichts mehr, auch am Sonntag nicht.“ Einen genauen Zeitplan gebe es nicht. Ende des Monats möchte Zwanziger den neuen und unterschriebenen Löw-Kontrakt vom DFB-Präsidium absegnen lassen. MV

VON CAROLIN KÜTER

Weltmeister werden sie in diesem Turnier nicht mehr. Aber der Auftritt des deutschen Teams hat Maßstäbe gesetzt. Himmelblauer Kaschmir. So schön, so sanft, so elegant hat sich kein Trainer am Spielfeldrand gezeigt. Sportliche Siege lassen sich daraus zwar nicht stricken, aber spätestens jetzt dürfte auch dem größten Modemuffel aufgefallen sein, dass Stilfragen nicht mehr vom Fußball wegzudenken sind. Die beste Mannschaft der Welt sind sie nicht, aber unter Anleitung des „bestangezogenen Trainers der Welt“ stehen Jogis Jungs für Selbstbewusstsein und eine stilbewusste Zukunft.

„Fußball ist Entertainment“, sagt Gerd Strehle, Geschäftsführer von Strenesse, dem offiziellen Herrenausstatter des DFB und damit Schöpfer des himmelblauen Traums. Zu einer gelungenen Unterhaltung gehören der richtige Auftritt, der souveräne Stil dazu. Joachim Löw erfüllt diesen Anspruch: Wer vor laufender Kamera Popel essen kann und trotzdem weltweit zur Stilikone erklärt wird, der kann nichts mehr falsch machen. Selbstbewusst und trotzdem bescheiden, emotional und zugleich sachlich, uneitel am Spielfeldrand und trotzdem stilsicher in der Auswahl seiner Kleidung – das ist die Mischung, aus der moderne Fußballträume gemacht sind. Wenn Anhänger des alten, testosterongetränkten Trainingsanzug-Fußballs so viel Mode-Zirkus als Zeichen von Homosexualität deuten und ihnen nichts Besseres einfällt, als darüber herzuziehen, dann sei das eben so, sagt Strehle mit einem Schulterzucken. „Mit dieser Stilaussage hat Löw eine neue Richtung eingeschlagen.“

Schon zur WM 2006 hatte das Duo Löw/Klinsmann den eng anliegenden Strenesse-Oberhemden zu anhaltender Popularität verholfen. „Jeder wollte dieses Hemd haben und jetzt diesen Pulli. Da wird man in Zukunft mehr Männer mit sehen, das wird normal werden“, prophezeit Strehle. Männer mit engen Hemden, Stilaussagen auf dem Fußballfeld, das ist nicht neu, sind Modefragen doch spätestens mit David Beckham im Fußball angekommen. Doch metro ist nicht gleich Löw, und mit dem jetzt schon legendären Kaschmir-Pulli ist auch eine neue Sanftheit im deutschen Fußball eingezogen. Das ist nicht einfach nur Kaschmir, was er trägt, es ist Baby-Kaschmir. Um die feine Wolle zu gewinnen, werden die Kaschmirziegen aus dem Himalaja nicht geschoren, sondern ausgekämmt. Und für Pullis wie den von Jogi sind es eben Ziegen, die zwischen drei und zwölf Monaten jung sind. Die Kaschmirwolle älterer Ziegen ist rund 15 Mikron (ein tausendstel Millimeter) fein, Baby-Kaschmir sogar nur 13 Mikron. Wer kann da schon widerstehen? Für schlappe 199 Euro kann man den Pulli bestellen, Lieferzeit sind allerdings momentan vier Wochen.

Schon 2006 sei Löw der gewesen, der Stilsicherheit bewies: „dem Klinsmann war das eher wurscht“, sagt der Strenesse-Chef. Wenn Löw shoppen gehe, sei Strehles Tochter Viktoria, Kreativdirektorin der Linie Strenesse Blue, immer dabei. „Dann ist es immer ein großes Hin und Her zwischen den beiden. Diesen Austausch liebt Jogi, das braucht er auch.“

„Dem Klinsmann waren Stilfragen eher wurscht“

GERD STREHLE, STRENESSE-CHEF

Für Strehle waren sowohl die WM 2006 als auch diese ein voller Erfolg. Als Geschäftsführer seiner Firma, die er als Familienunternehmen seit fast 40 Jahren führt, hat er den größten Gewinn für das Image seiner Marke schon davongetragen. Die Niederlage der deutschen Nationalelf im Halbfinale hat zwar bewiesen, dass blaue Zauberpullis gegen flinke Spanier keine Wunder wirken. Auch der Siegesschweiß des seit den letzten beiden furiosen Siegespartien ungewaschenen Pullovers von Löw konnte die rote Furie nicht wegstinken. Und ein Finalsieg der Nationalmannschaft hätte die Verkaufszahlen der Strenesse-Pullis wahrscheinlich erneut explodieren lassen. Macht aber nichts, schon vor dem Halbfinalspiel war der blaue Pulli restlos ausverkauft.

Was Löw in seiner sportlichen Emanzipation als Trainer geleistet hat, konnte die Fußballwelt während des Turniers in Südafrika bestaunen. Jogis modische Emanzipation hat in dem blauen Kaschmir-Pulli ihre Vollendung gefunden. Sein Stil zeigt laut Strehle, dass „der Trainer heute eine ganz andere Rolle in der Gesellschaft hat. Er ist ein Vorbild. Mit seiner behutsamen Führung hat Joachim Löw der Mannschaft gezeigt, wie ein Team funktionieren muss. Er ist der beste Manager.“

Mehr auf taz.de: das Interview mit Strenesse-Chef Gerd Strehle