: Ein Stück für Gambe und Computer
■ Die neue Kompositions-Professorin Younghi Pagh-Paan über ihre neuen Ideen für Bremen und die Neue Musik
Es gab eine Zeit, da hat sie die Musik gehaßt, sagt die Komponistin, die als erste Frau in Deutschland – in Bremen – eine C4-Professur für Komposition innehat. Schon lacht sie. „Na ja, das war damals in meiner kleinen südkoreanischen Heimatstadt. Da war ich sechzehn, wollte Musik studieren, bekam aber nur zu hören, daß es zu teuer sei.“ Trotzig wandte sich Younghi Pagh-Paan ab, begann Mathe und Physik zu pauken, wollte plötzlich wie ihr Vater Brücken bauen. Das tat ihr gut, meint sie heute: „Wir Komponisten haben ja auch viel mit Mathe zu tun. Und außerdem kann man Komponistin sowieso nicht mit Absicht werden.“
Da guckt es bereits ein bißchen hervor, dieses Quentchen Bescheidenheit, das die inzwischen international erfolgreiche und mehrfach ausgezeichnete Frau gleich anfügen läßt, sie habe eben immer Glück gehabt; habe viele Stipendien erhalten, habe das Meiste ihren guten LehrerInnen zu verdanken. Klaus Huber zum Beispiel, der in Freiburg Komposition lehrte, als es Younghi Pagh-Paan 1974 über den Deutschen Akademischen Austauschdienst dorthin verschlug. „Das war ein harter Neuanfang für mich.“ Der „wilde Entschluß“ der damals knapp Dreißigjährigen, endlich die neuesten Strömungen zeitgenössischer europäischer Musik live zu erleben, war jedoch stärker.
In Korea hätte sie bis zur 2. Wiener Schule studieren können, weiter geht es dort nicht, es fehlt – wie in ganz Asien – an Informationen und Noten. Zwar ist in Seoul noch einiges über die amerikanischen Kulturzentren zu haben, Younghi Pagh-Paan aber war „die Musik aus zweiter Hand“ leid. In Freiburg, da waren dann viele zeitgenössische MusikerInnen zu Gast und plötzlich „zum Anfassen“ da. Yannis Xenakis, Giori Feidman; name-dropping allerdings ist der Komponistin überhaupt nicht wichtig. Sie will vor allem, daß die Stücke der „modernen Meister“ nacherlebt, haarklein analysiert und begriffen werden. Das erwartet die frisch berufene Professorin auch von ihren Bremer StudentInnen. Man dürfe sie zwar nicht in Neuer Musik ertränken, aber „die sollen Ohren und Augen offenhalten“. Und dann ihre eigenen Ideen entwickeln.
Dafür kann sie selbst Vorbild sein. Younghi Pagh-Paans erstes selbstkomponiertes Stück ist eine klassisch-harmonische Klaviersonate, der sie mit ihren damals 18 Jahren Das Kind und der Ballon nannte. Zur diesjährigen Kölner Triennale stellte sie Tsi-Shin-Kut vor, eine Komposition für vier Schlagzeuger mit Computerklängen. „Das ist natürlich ein riesengroßer Unterschied, aber ohne meine damaligen Träume würde es das nicht geben.“ Gerne spielt Younghi Pagh-Paan mit synthetisierten Tönen – „obwohl das immer wahnsinnig zeitaufwendig ist“ – und mischt sie mit dem asiatischen Musikdenken. Gerne gibt sie ihren Stücken koreanische Namen und symbolische Bedeutungen. Wie Bidan-Sil etwa, was soviel wie Seidengarn oder Seidenfäden heißt, für den Oboisten Heinz Holliger komponiert.
Die Professorin findet, alle MusikstudentInnen – und nicht nur ihre derzeit fünf an der Zahl – sollten sich sowohl mit klassischer als auch mit zeitgenössischer Musik auseinandersetzen. Daß in Bremen an der Hochschule für Künste ein elektronisches Studio in Bau ist, findet sie großartig, und sie macht sich auch dafür stark. „Das brauchen alle HfK-Studenten, wir müssen die Leute dafür begeistern. Das muß so sein, weil die Computer- und Elektronik-Instrumente ja bereits in die Kinderzimmer eingedrungen sind.“ Ja, das sind in ihren Augen neue Musikinstrumente, und Younghi Pagh-Paan möchte, daß sie mit den „alten“ kombiniert werden.
Seit April ist die Komponistin in Bremen, und schon ist die Idee angedacht, zusammen mit den Leuten der Akademie für Alte Musik zeitgenössische Stücke für alte Instrumente zu machen. Überhaupt soll die Bremer Musikhochschule, die kleinste in Deutschland, mit den größten Problemen, mehr rausgehen und die Neue Musik unters Volk bringen. „Sonst bleibt Bremen Provinz. Das Inseldasein birgt doch da beste Chancen, und das hat mich gereizt.“ Wie in Freiburg sollen große Namen hier zu Gast sein dürfen. Aber das kostet natürlich Geld. Und dieses wiederum will erst einmal bewilligt sein. Ein großer Kampf stehe ihr jedoch da bevor, Younghi Pagh-Paan fängt „schon mal mit dem Zähneknirschen“ an. „Denn so wie ich in Korea, wo ich offiziell nicht gespielt werde, den großen Bonzen und Kulturmachern nicht kniend komme, so werde ich das hier auch nicht tun.“
Silvia Plahl
Demnächst wird die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen Younghi Pagh-Paan in einem Porträtkonzert vorstellen. Beachten Sie bitte unseren Veranstaltungskalender.
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