Kommentar: Ein Stück Stände-Staat
■ Auch Handelskammer vordemokratisch
Der Präsident der Arbeiterkammer, der Klöckner-Betriebsratsvorsitzende Peter Sörgel, verglich jüngst die umstrittenen Strukturen der Arbeitnehmerkammern mit denen der Unternehmerkammern: Abgesehen von den vielleicht 50 oder 150 Aktivisten des engsten Kreises dürfte kaum jemand von den 23.000 Mitgliedern die internen „Selbstverwaltungs-Strukturen“ der Kammer durchschauen.
Nach außen suggeriert die Kammer ein Ausmaß von Einigkeit, das es selbst in vordemokratischen Strukturen unter so vielen interessengeleiteten Menschen kaum geben dürfte. Letztes Beispiel Verkehrs-Tunnel unter der Martinistraße: „Die Kammer“ ist dafür. Daß es Mitglieder der Kammer gibt, die als Anrainer der Martinistraße im höchsten Maße betroffen sind, weil sie ihr Geschäft angesichts einer jahrelangen Baustelle dichtmachen müßten, ist kein Thema. Jedenfalls dringt nichts nach außen in die Mitgliedschaft hinein.
Und Zwangsmitgliedschft bei der Handelskammer heißt genauso wie bei Arbeiter- oder Angestelltenkammer: Niemand ist freiwillig in dem Verein. Niemand ist gefragt worden. Wem die undurchsichtigen Strukturen und der „closed shop“ nicht passen, ist selbst schuld. Austreten kann niemand.
Ein Stück vordemokratischer männlicher Ständegesellschaft ist mit den Kammern auf uns gekommen. Offenkundig sogar aus einer Epoche vor der Erfindung der Frau. Klaus Wolschner
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