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Ein Stück Pressefreiheit

■ betr.: "Redakteure proben den Aufstand", taz vom 17.5.90

betr.: „Redakteure proben den Aufstand“, taz vom 17.5.90

(...) In dem Artikel wird der Eindruck erweckt, es seien in erster Linie die materiellen Forderungen, die die Kolleginnen und Kollegen in den Redaktionen auf die Straße getrieben haben. Weit gefehlt. Im Mittelpunkt der Auseinandersetzung, über deren Mobilisierungsfähigkeit selbst die IG Medien überrascht ist, steht eine qualifizierte Forderung, die sollte sie erstreikt werden, der einzelnen Kollegin und dem Kollegen gar nicht mehr zugute kommt: Es geht um einen Ausbildungstarifvertrag für die Volontärinnen und Volontäre an Tageszeitungen.

Die Verleger hatten unsere Forderung in ihren Kernfragen, nämlich der inhaltichen Ausgestaltung des Volontariats, zur absoluten Tabuzone erklärt. Die sich aus Artikel 5 GG ergebende Pressefreiheit in diesem Lande, sei ausschließlich ein Privileg, das den Verlegern zustehe, behaupteten sie seit Monaten. Der Volontär und die Volontärin hätten keinerlei Rechte, auf diese inhaltliche Ausgestaltung des Volontariats. (...) Die Gewerkschaftsforderungen sei deshalb verfassungswidrig. Der einzelne Journalist habe keinen Anspruch auf Verwirklichung der Pressefreiheit.

Dies alles liebe Kolleginnen und Kollegen bei der taz, hat die Redakteurinnen und Redakteure in Tageszeitungen von Kiel bis Kempten (vom 9. bis 15. Mai waren Kolleginnen und Kollegen von 128 Tageszeitungen im Streik) so in Rage versetzt. Bei diesem Tarifkonflikt kämpfen die Journalistinnen und Journalisten in erster Linie um ein Stück Pressefreiheit für sich, und genau das macht auch diesen Arbeitskampf so qualifiziert. Natürlich spielen auch materielle Forderungen, wie die Arbeitszeitverkürzung einem weiteren Schwerpunkt -, nach einem Ausgleich der negativen Folgen der unsozialen Steuerreform bei den Sonntagsgeldern eine Rolle. Im Zentrum der Auseinandersetzung, das wurde uns in den letzten Monaten mehr als bewußt, steht der Kampf um mehr journalistische Qualität. Deshalb auch unsere Forderung nach verbindlichen Ansprüchen im Tarifvertrag auf Aus- und Weiterbildung für Journalistinnen und Journalisten.

Peter Völker, Sekretär für Tarifpolitik beim HV der IG Medien.

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