HEUTE ENTTARNTE STASI-IM HABEN IM PARLAMENT NICHTS ZU SUCHEN : Ein Spitzel ist ein Spitzel ist ein …
16 Jahre nachdem die Ostdeutschen ihr Land von dem ganzen Stasi-Dreck befreiten, funktioniert der alte bundesdeutsche Reflex noch immer wie geschmiert: Das Land debattiert mal wieder den Umgang mit seinen Spitzeln. Zwar ist der Bart dieser Debatte inzwischen kilometerlang. Trotzdem erscheint etwa die Frage aufregender, ob Spitzel Volk vertreten sollen, als sich mit dem grauen Leid der Opfer zu befassen. Wie so oft geht es bei der Debatte um die PDS. Und was eine Stasi-Behörde darf.
Deren Chefin Marianne Birthler hatte sieben Spitzel in der neuen PDS-Fraktion verortet, sich dann aber korrigieren müssen – es sind weniger. Woraufhin PDS-Wahlkampfleiter Bodo Ramelow der Bürgerrechtlerin „Amtsmissbrauch!“ vorwarf und „Rücktritt!“ schrie.
Um den aktuellen Stand der Debatte in Erinnerung zu rufen: Auch beim Vorwurf der Spitzelei gilt so lange die Unschuld, bis das Gegenteil bewiesen ist. Mag ja sein, dass Birthler den Betroffenen die Chance zum selbstbestimmten Reagieren einräumen wollte: Dies öffentlich zu tun, ohne konkret zu werden, ist dumm und tatsächlich amtsschädlich. Zweitens: Stasi ist per se nicht gleich Spitzel. Wer als junger Wachsoldat vor 16 Jahren in einem Stasiregiment Staatskarossen bewachte, darf nicht länger stigmatisiert werden. Drittens: Ein Stasi-Spitzel bleibt ein Stasi-Spitzel bleibt ein Stasi-Spitzel. Genauso wie ein Gestapo-Spitzel ein Gestapo-Spitzel bleibt. Nicht dass die Wirksamkeit der Gestapo-Schergen mit denen der Stasi vergleichbar wäre – das zugrunde liegende System ist es sehr wohl.
Wo es Schuld gibt, ist auch Sühne möglich, die wiederum Grundlage für Vergebung ist. Genau deshalb ist es unumgänglich, die Abgeordneten des 16. Deutschen Bundestages auf Spitzelei zu überprüfen. Zur Sühne eines Spitzels gehört nämlich die Demut gegenüber seinen Opfern – in ihrer Stasi-Sprache „Zersetzte“ oder „Operativ Bearbeitete“. Unentdeckte Spitzel, die sich dem deutschen Volk zur Wahl stellen, sind von Sühne meilenweit entfernt. Marianne Birthler muss deshalb konkret werden. Eben weil in diesem Land mehr über den Umgang mit den Tätern als mit den Opfern debattiert wird, werden unkonkrete Stasi-Vorwürfe ganz schnell zum Politikum. NICK REIMER