■ Nach der Wahl in Rumänien — Chancen der Konsolidierung: Ein Sieg der Sehnsucht nach Stabilität
Etwas voreilig war er schon abgeschrieben worden. Ion Iliescu, der rumänische Staatspräsident, der den Putsch gegen den früheren Diktator Ceausescu inszeniert hatte, wird voraussichtich im höchsten Staatsamt Rumäniens bestätigt werden. Vor allem auf dem Land gewann er die Stimmen, die auch im zweiten Wahlgang für ihn sicher sind. Iliescu, der oftmals undemokratisch handelnde „demokratische Sozialist“, weiß neben großen Teilen der Landbevölkerung viele ArbeiterInnen und die meisten Staatsbediensteten hinter sich.
Angesichts etlicher fehlgeschlagener Experimente mit der Wirtschaftsreform der noch amtierenden Regierung, angesichts der Unsicherheit, die der Systemwechsel für breite Schichten der verarmten Bevölkerung mit sich bringt, angesichts der Angst, den viele Mitglieder des aufgeblähten Apparates der alten Diktatur vor einer grundlegenden, ihre fortbestehenden Pfründe und Privilegien gefährdenden Demokratisierung haben, ist das Wahlergebnis nämlich so überraschend nicht. In Iliescus Person konkretisiert sich zudem der in Rumänien traditionell verwurzelte Wunsch nach einem Landesvater, der über den alltäglichen Dingen zu stehen hat.
Trotz dieses für viele Mitglieder der demokratischen Opposition enttäuschenden Ergebnisses ist mit der Wahl die Demokratie in Rumänien gefestigt worden. Denn der Oppositionsblock „Demokratischer Konvent“ und sein Präsidentschaftskandidat, Emil Constantinescu, haben mit rund einem Drittel der Stimmen in Wirklichkeit gut abgeschnitten. Wichtig ist, daß die demokratische Opposition, die in Bukarest und den meisten Großstädten sogar die Mehrheit errang, sich in Zukunft als die wirkliche Alternative zum herrschenden System profilieren kann. Den rechtsradikalen Demagogen jedenfalls ist es nicht gelungen, die weit verbreiteten, sich gegen die Minderheit der Ungarn in Siebenbürgen und gegen die Roma richtenden nationalistischen Stimmungen in eine politisch schlagkräftige Bewegung umzulenken.
Iliescu und seine „Front der Nationalen Rettung“ werden zudem nach der bisher erkennbaren Wahlarithmetik auf Koalitionspartner angewiesen sein. Und die kann sich die zukünftige Regierung schlecht von rechtsaußen holen. Auch das bringt die demokratische Opposition ins Spiel. Gerade dem „Konglomerat aus vielen Parteien“ wird so die Gelegenheit gegeben, ein überzeugendes Programm des Übergangs zu formulieren. Aus einer gestärkten Oppositionsrolle heraus könnte der „Demokratische Konvent“ realpolitisch an Gewicht gewinnen. Nach dem Zusammenbruch der 89er-Illusionen kommt es für die Demokraten Osteuropas nämlich besonders darauf an, die Realität eines schwierigen und langwierigen Übergangs zu akzeptieren und machbare Alternativen anzubieten. Erich Rathfelder
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