: Ein Samariter und kein Flankengott
■ Werder verliert gegen Köln mit 1:3 / Versuch und Irrtum als Fußballtaktik
„Eins ist klar: Der heutige Verlierer scheidet endgültig im Kampf um Platz Fünf aus.“ Mit diesen Worten hatte Werder- Manager Willi Lemke vor dem Spiel gegen den 1. FC Köln Zuschauer ins Stadion locken wollen. Und die waren auch zu immerhin rund 20.000 erschienen. Als sie nach 90 Minuten das Weserstadion verließen, war klar: Die Hoffnung, daß Werder im kommenden Jahr im UEFA-Pokal mitspielem kann, haben sich endgültig erledigt. Köln kann nach dem 3:1-Sieg weiter hoffen.
Trotz der Niederlage hielt sich das Pfeifkonzert in Grenzen. Denn im Gegensatz zu anderen Heimspielen hatten die Zuschauer immerhin einen SV Werder gesehen, der sich über 90 Minuten bemühte, den Ball im Kölner Netz unterzubringen. Doch wie sie auch rannten, flankten und köpften: Es nützte wenig. Spielerisch gehört die Mannschaft ins ziemlich mittlere Mittelfeld.
Das Spiel der Bremer beschränkt sich derzeit auf zwei Varianten. Erstens: Der rechte Verteidiger, am Samstag Bockenfeld, wühlt sich am rechten Flügel durch und flankt in den Strafraum. Dort warten drei bis fünf Grün-Weiße, die entweder gar nicht an den Ball kommen oder relativ ungefährlich mit dem Kopf nach ihm stoßen. Variante zwei: Der linke Verteidiger, am Samstag Thorsten Legat, wühlt sich am linken Flügel durch und flankt. Diese Variante hat allerdings in der Regel den Nachteil, daß die Flanken über alle im Strafraum Versammelten hinwegfliegen, so daß dann wiederum eine Flanke von rechts kommt. Ergebnis siehe oben.
Rund 40 mal wird der Ball am Samstag nach dem Prinzip Versuch und Irrtum in den Kölner Strafraum geflogen sein. Da kann es nicht ausbleiben, daß sich auch einmal die eine oder andere Möglichkeit ergibt. Da die Kölner von Beginn an auf das variationslose Bremer Spiel eingestellt waren, hatten sie deshalb links und rechts im Tor jeweils einen Spieler postiert, der ihrem Torwart Bodo Illgner im Notfall zu Hilfe kommen konnte. Gleich dreimal bewährte sich der Trick, schlugen Kölner Abwehrspieler den Ball von der Linie ins Feld zurück. Der Körpersprache der Bremer Spieler war anzusehen, daß sie dies für Pech hielten.
Dabei hatte alles so gut angefangen: Als die Mannschaft einlief, fehlten mit Rufer und Allofs nicht nur die Publikumsnerver vom Dienst. Auch Oliver Reck mußte Jürgen Rollmann (Reck: „Ein sehr guter zweiter Torwart) Platz machen.
Doch für Reck machte sich ein anderer zum Unsicherheitsfaktor, von dem man das sonst gar nicht gewohnt ist: Uli Borowka, der Mann mit dem JohnWayne-Abwehrverhalten, spielte am Samstag, als sei er morgens in der Kirche zum Barmherzigen Samariter bekehrt worden. Erst schenkte er den Kölnern in der 28. Minute ein Eigentörchen. Und dann ließ er in der 55. Minute den Kölner Baumann einfach so Richtung Tor durchlaufen. Der paßte auf den Kollegen Ralf Sturm: 0:2. Dreizehn Minuten später zeigte Ex-Werderaner Frank Ordenewitz nach einem Freistoß, daß man Bälle auch von außerhalb des 16-Meter-Raumes gen Tor treten kann: 0:3.
„Wenn wir das erste Tor machen, sieht es ganz anders aus.“ Mit Fußballwahrheiten auf höchstem philosophischem Niveau versuchte sich nach dem Spiel Werders Mittelstürmer Stefan Kohn zu trösten. Doch Kohn machte erst das vierte Tor im Spiel, in der 73. Minute und natürlich nach einer Flanke.
Jetzt fiebern alle Bremer dem 6. Mai entgegen, wenn sich in Lissabon entscheidet, ob die Bremer als Europapokalsieger doch im internationalen Geschäft bleiben. Da muß allerdings erst einmal der AS Monaco geschlagen werden. Dem Vernehmen nach zählen dabei auch im Europapokal die Tore und nicht die Anzahl der in den Strafraum gedroschenen Bälle. hbk
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