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Ein Physikprofessor schreibt an Uni-Rektor –betr.: Heiße Physik-Professorin fallengelassen, taz-Bremen vom 28.11.

Sehr geehrter Herr Timm,

Sie haben als Rektor unserer Universität öffentlich äußern lassen, daß eine unserer Kolleginnen Meßergebnisse „falsch und fahrlässig“ interpretiert habe und daß „wir in der Uni damit nicht leben“ könnten. Sollte dies richtig wiedergegeben sein, muß ich Ihnen mein Befremden darüber ausdrücken, daß Sie die Einschätzung, die Sie sich – sicherlich nicht ohne Anlaß – zu dem Vorgang gebildet haben mögen, als Stellungnahme der Universitätsleitung ausgeben, und überdies zu einem Zeitpunkt, wo diese noch „das Gespräch mit der Wissenschaftlerin suchen“ will.

Ob Sie recht haben, wird sich erst am Ende der Nachprüfung herausstellen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt geäußert, stellt sich Ihre vorverurteilende Interpretation aber selbst als Folge eines Vorurteils dar, und das ist von der Methode her genauso schlimm wie das, was Sie der Kollegin ankreiden.

Unabhängig hiervon wissen wir wohl alle, daß es noch nie mit Samthandschuhen zuging, wenn unerwünschte Forschungen betrieben oder ihre Ergebnisse veröffentlicht wurden, gerade im Bereich der Atomwirtschaft. Allerdings haben die Atomaufsichtsbehörden, in deren Gutachten wir mehrmals Fehler nachweisen konnten, sich nie zu einer öffentlichen Distanzierung bequemt. Es bleibt hoffentlich ein schlimmer Ausrutscher, daß sich nun die Universität Bremen aus Furcht vor einem „Imageschaden“ von „Forschungsergebnissen distanzieren müsse“ (laut taz). Kann man sich denn überhaupt von Ergebnissen – und seien es vorläufige – distanzieren? Von falschen Schlußfolgerungen schon eher, nachdem sie sich als falsch erwiesen haben. Sollten sie sich indes bestätigen, wäre die erklärte Distanzierung wirklich ein Desaster für die Universität und ihr Image.

Mir erscheint es weder nötig noch üblich, und mir ist auch kein anderer Fall bekannt geworden, in dem die Universität Ergebnisse ihrer WissenschaftlerInnen für falsch erklärt hätte. Ich möchte Sie deshalb um Auskunft bitten, welcher besondere Druck Sie zu Ihrem Vorgehen veranlaßt hat und nach welchen Maßstäben Sie gegebenenfalls künftig wieder so zensieren würden.

Mit freundlichem Gruß, Ihr

Prof. Dr. Jörn Bleck-Neuhaus, FB1 (Physik/E-Technik)

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