: Ein Pfad vier Mal durch den Raum
Lange hat die Off-Szene im Revier auf ihren Auftritt bei Mortiers RuhrTriennale gewartet. Endlich windet sich der Raum.Pfad durch vier Inszenierungen zwischen Bodenhaftung und Schwerelosigkeit
Mit quietschenden Reifen fegen ein Mustang-Veteran und ein alter Volksporsche durch das Parkhaus direkt neben dem Bochumer Bermuda-Dreieck. Auf dem Dach eines Hochhauses in Mülheim machen sich Unbekannte nachts an Antennen zu schaffen und das mit wirren Bewegungen. Menschen wollen Lichtblitze am Himmel gesehen haben. Sind UFOs im Revier gelandet?
Die Himmelserscheinung ist als Gewitter schnell erklärt. In Mülheim wurde die Polizei bemüht, die Beamten konnten aber nur probende Schauspieler entdecken. Auch in Bochum gehören die Oldtimer zur Probe eines Theaterprojektes der Off-Triennale „Raum.Pfad“. Michael Witte probt auf dem normalerweise geschlossenen, dritten Parkhausdeck „Being Jeckyll & Hyde“. In Mülheim arbeitet Albrecht Hirche an dem Wohnexperiment „Der Mann von Oben“.
Eröffnet wurde die Reihe von vier Inszenierungen zur Schwerelosigkeit am Mittwoch im Mülheimer Ringlokschuppen mit „Oedipus Reloaded“. Klaus Obermaiers Medienperformance mit viel Video-Technik, einem Wasserspiegel-Becken und dem Schauspieler Hannes Hellmann zeigte die Grenzen an der Schnittstelle zwischen Theater und Hightech-Performance auf. Der Mensch verschwindet in der Flut der Bilder. Der Schauspieler verblasst angesichts der auf ihn einströmenden Lumen. Das gereizte Auge lähmt augenblicklich das Ohr, von den Texten zwischen Sophokles und Nietzsche bleiben auch nur spärlich aufgenommene Fetzen.
Was bleibt sind Fragen, und das scheint Obermaiers virtuelles Grundkonzept zun sein: Er lässt Oedipus durch Zeit und Raum irren, verliebt sich aber immer weiter in die Möglichkeiten des bombastischen Video-Bilderspiels. Kein Wunder, ist er doch einer der führenden Experten für intermediale Kunst und hat für „Oedipus Reloaded“ mit dem Ars Electronica Futurelab in Linz zusammen gearbeitet. Sie zeigen, was mit diesem Medium technisch zur Zeit alles möglich ist, optisch reicht es vom Revival der 1970er Grafik bis zum minutenlangen Feuerball-Inferno aus Hollywood-Streifen und NASA-Bildern. Derart allein gelassen von Bühne und Regisseur hockt Akteur Hellmann am Ende im flachen Wasser, seine Kleidung wird selbst zur Projektionsfläche, der er sich noch entledigen kann, bevor er taumelnd als winziger Punkt im virtuellen All der Projektionsfläche verschwindet. Doch warum hat es in seinem Sprach-Übertragungsgerät vorher keinen Kurzschluss gegeben?
PETER ORTMANN
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