: Ein Mörder, den einfach jeder mögen muß
■ Nach dem Tod von Jitzhak Rabin macht eine religiöse israelische Universität Werbung mit dessen Attentäter. Nun soll plötzlich alles ein Versehen gewesen sein
Tel Aviv (taz) – Peinliche Werbung für die religiöse Bar Ilan Universität bei Tel Aviv: Zum Wochenende zeigte das israelische Fernsehen eine neue, für die USA und Kanada bestimmte Werbebroschüre der Hochschule. Das Heft ist dem Andenken des ermordeten Ministerpräsidenten Jitzhak Rabin gewidmet ist. Jedoch beinhaltet es zwölf identische Großaufnahmen von dessen Mörder, dem Bar-Ilan-Studenten Jigal Amir – dargestellt als Musterschüler und ohne Nennung von dessen Namen.
Die Fotos waren offensichtlich vor der Ermordung Rabins ausgesucht worden – als attraktives Bild eines sympathischen, erfolgreichen Bar-Ilan-Studenten, vertieft in das Studium der Heiligen Schrift oder deren Auslegung. Wahrscheinlich fiel die Wahl auf Amir, weil er als besonders intelligenter und strebsamer Schüler bekannt war, dessen optische Erscheinung zudem als Prototyp eines netten jungen Sabra gelten kann: ein netter israelischer Junge, den einfach jeder mögen muß.
Fotos aus „technischen Gründen übersehen“
Die Broschüre war für eine am 21. Januar veranstaltete Konferenz US-amerikanischer Spender und Freunde der Universität vorbereitet worden. Nach dem Mord an Rabin wurde sie mit Bildern und Redetexten des Ermordeten und einem Nachruf aktualisiert. Laut der Universitätsleitung wurden dabei die Amir-Fotos „übersehen“ – angeblich aus „technischen Gründen“. Der gerade in den Ruhestand tretende Präsident der Bar- Ilan-Universität, Schlomo Eckstein, bedauerte den „furchtbaren Irrtum“. Nach seiner Darstellung war nach der Ermordung Rabins im November beschlossen worden, die Werbebroschüre ausschließlich dem Andenken des Toten zu widmen. „Niemand ist auch nur auf die Idee gekommen, die Bilder zu überprüfen. Nur den Text hatte man sich angesehen. Wir wissen nicht einmal, ob die Druckerei wußte, wer Jigal Amir eigentlich ist.“ Auf keinen Fall dürfe der Uni wegen der Affäre „ein zusätzliches Stigma anhängt werden“.
Eckstein mochte jedoch nicht erklären, warum vor dem Mord unter den insgesamt 20.000 Studenten der Universität ausgerechnet der als nationalreligiös und radikal bekannte Jigal Amir für Werbezwecke ausgesucht wurde. Nur soviel sagte er: Die Amir-Fotos sollen von den US-amerikanischen Werbeorganisatoren und Freunden der Universität selbst gemacht und ausgewählt worden sein. „Stellt etwa Jigal Amir den repräsentativsten der Bar-Ilan-Studenten dar?“ fragte die dem linken Meretz-Bündnis angehörende Ministerin für Kultur und Wissenschaft, Schulamit Aloni.
Das Werbeheft wurde tatsächlich bei einem Festessen der Spender in New York verteilt, bei dem der israelische Generalkonsul und der israelische Oberrabbiner Ansprachen hielten. Inzwischen läßt die Universität die Broschüren – angeblich mehrere tausend Stück – wieder einsammeln, um sie einzustampfen.
Doch in Israel mehren sich Zweifel an der „Zufälligkeit“ der Veröffentlichung. Der Knesset- Abgeordnete der Arbeitspartei, Dalia Izzik, meinte gar, in der Universitätsleitung müsse es Leute geben, die hofften, die Veröffentlichung von Bildern des Rabin-Mörders könnte die Spendenfreudigkeit einiger Leser der Broschüre vergrößern. Anders lasse sich „die Publizierung eines in der ganzen Welt so berühmten Bildes gar nicht erklären“, erklärte der Abgeordnete, der den parlamentarischen Erziehungsausschuß leitet.
Israels Erziehungsminister Amnon Rubinstein zeigte sich schockiert von der Veröffentlichung der Werbebroschüre. „Nach dem Mord an Rabin habe ich vor einer Verteufelung der Bar-Ilan-Universität gewarnt“, erinnerte er. Aber der Broschürenskandal „und andere Ereignisse an der Universität machen es mir sehr schwer, weiter an dieser Position festzuhalten“. Amos Wollin
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