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Ein Minister demontiert sich selbst

■ Wahlwerbung auf Staatskosten? / Matthiesen vor Untersuchungsausschuß

Düsseldorf (taz) – Klaus Matthiesen hat Großes vor. Sollte Johannes Rau im nächsten Jahr tatsächlich zum Bundespräsidenten gekürt werden, dann erklömme der Düsseldorfer Umweltminister nur allzu gern den freigewordenen Sessel. Ob das letztlich gelingt, hängt nicht zuletzt von den Ergebnissen zweier parlamentarischer Untersuchungsausschüsse ab, die sich beide mit Matthiesen beschäftigten. Gestern ging es bei der Durchleuchtung einer von Matthiesen initiierten Kampagne zur Müllvermeidung das erste Mal richtig zur Sache. Der Düsseldorfer CDU-Oppositionschef Helmut Linssen wirft dem Umweltminister in diesem Zusammenhang ein „großangelegtes Betrugsmanöver auf Kosten der Steuerzahler“ vor. 5 Millionen Mark – außerplanmäßig bewilligt – hat die Kampagne 1990 gekostet. Für die Gewährung außerplanmäßiger Mittel bedarf es nach den gesetzlichen Vorschriften „besonderer, nicht vorhersehbarer Gründe“. Matthiesen nahm diese Hürde kurz vor der Landtagswahl mit Bravour: Er wertete seine Antihausmüllkampagne schlicht als unaufschiebbar, als „dringend erforderlich“ zur „Vermeidung eines Müllnotstands“. Wörtlich hieß es in der Begründung zum Antrag an das Finanzministerium am 12. Februar 1990: „Durch den zunehmenden Widerstand gegen die Müllverbrennung und den Fortfall der Deponierungsmöglichkeiten in der DDR spitzt sich das bestehende Müllproblem weiter zu.“ Die Begründung hatte indes einen Haken: Hausmüll aus NRW wanderte nie in die DDR! Matthiesen selbst hatte dies stolz im Landtag am 18.1.1990 verkündet. Für die Opposition ein klarer Fall von „Täuschung“, „Lüge“ und „Betrug“.

Gestern suchte Matthiesen diese Schlußfolgerung als böse Mißinterpretation der Opposition hinzustellen. Der Hinweis auf die DDR, so seine neue Verteidigungslinie, sei nur ein zusätzliches Argument gewesen und habe auf den nationalen Müllnotstand abgezielt. Weil die Regierung Modrow seinerzeit angedroht habe, den Müllimport aus dem Westen zu stoppen, habe die Gefahr bestanden, daß NRW dann im Rahmen eines „nationalen Krisenplans“ aus anderen Bundesländern hätte Müll aufnehmen müssen. In einem Vermerk des im Finanzministerium für die außerplanmäßige Bewilligung zuständigen Beamten, Dr. Von Ingersleben, liest sich das indes anders. Dort ist von „massiven Hinweisen“ des Umweltministeriums auf die fortfallende Deponierungsmöglichkeit in der DDR und von einem zu erwartenden „sofortigen Rückstau“ die Rede. Gegenüber der Staatsanwaltschaft erklärte von Ingersleben inzwischen: „Ich habe erst später davon erfahren, daß es einen Export von Hausmüll in die DDR nicht gegeben hat. Wenn ich das gewußt hätte, hätte ich die außerplanmäßige Ausgabe nicht bewilligt“.

Tatsächlich findet sich in den Akten kein einziger Beleg, der Matthiesens Argumentation stützt. Während alle anderen Bundesländer, die – wie etwa Hamburg und Berlin – einen Großteil ihres Hausmülls in die DDR exportierten, keinen Grund sahen, eine Müllvermeidungskampgane zu starten, handelte NRW schon nach den ersten Ankündigungen Modrows? Ausgerechnet das Land, das keine einzige Tonne Hausmüll in die DDR rüberschaffte? Nein, da wirkt der Vorwurf der Opposition, daß Matthiesen zum Beweis der Dringlichkeit völlig sachfremd auf die Exportprobleme hingeweisen habe, um sich kurz vor der Landtagswahl – die Kampagne endete exakt am Tag vor der Wahl – selbst noch einmal in Szene zu setzen, wesentlich überzeugender.

Der Münsteraner Verfassungsgerichtshof, hat über die Kampagne inzwischen in zwei Verfahren entschieden. Danach war die Finanzierung „rechtswidrig“, sie „verstieß gegen die Landesverfassung“. Inhaltlich sahen die Richter dagegen kein Grund zur Beanstandung, auch „keine unzulässige Wahlwerbung“. Ohne das vorgeschobene DDR-Argument hätten die Richter, so glaubt die Opposition, anders entschieden. Walter Jakobs

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