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Ein Mausklick ersetzt das Papierrascheln

Die Heinrich-Böll-Stiftung suchte auf einem Kongress die Links zur Wissensgesellschaft. Rege Diskussion vor Ort, maue Resonanz im Internet

Ein noch ungewohntes Bild. Fünf ReferentInnen sitzen am Podium. Zwei haben einen eingeschalteten Laptop vor sich, auf dem sie während ihres Referates hin und her klicken. Mausklick statt Papierrascheln – vielleicht ein Symbol für den Übergang in die viel zitierte Wissensgesellschaft.

Unter dem Motto „Gut zu Wissen – Links zur Wissensgesellschaft“ wollte die Grünen-nahe Heinrich-Böll-Stiftung am Wochenende den gesellschaftlichen Dialog über die Wissensgesellschaft beginnen. „Wir wollten dieses Thema aus der Insiderwelt der Experten herausholen“, erklärte Stiftungsleiter Ralf Fücks zur Eröffnung am Freitagabend in der Humboldt-Universität. Durch die große Resonanz sah er sich bestätigt. Unter den etwa 500 TeilnehmerInnen war der Anteil der Menschen unter 30 Jahren dominant.

Dabei wurde es zur Eröffnung gleich hochakademisch. Die New Yorker Professorin Nancy Fraser beschrieb, wie im Übergang zum Postfordismus die Klassenkämpfe alten Stils durch Statuskämpfe ersetzt wurden. Obwohl sie in der Abkehr vom Ökonomismus der alten Arbeiterbewegung einen emanzipatorischen Fortschritt sah, beschrieb sie auch die Gefahr, dass durch eine rein kulturalistische Politik die sozialen Fragen ganz auf der Strecke bleiben könnten.

Auch in den acht Foren, die sich am Sonnabend mit nachhaltigem Wachstum, Kunst und Wissenschaft sowie den Veränderungen der Arbeitsbedingungen in der Wissensgesellschaft befassten, überwog die kritische Reflexion. So ist in den typischen Arbeitsbereichen der Wissensgesellschaft wie den Call-Centern ein völliger Abbau sozialer Rechte zu verzeichnen. Ein Aspekt, der beim Kongress zu kurz kam.

Alarmierende Tendenzen der Privatisierung von Wissen wurden unter der Fragestellung „Wem gehört das Wissen“ in einem Forum aufgezeigt. Gabriele Beger von der Zentral- und Landesbibliothek Berlin sieht durch die noch in diesem Jahr anstehende Anpassung des Urheberrechts an die EU-Norm die Existenz der öffentlich-rechtlichen Bibliotheken in ihrer bisherigen Form in Gefahr. Durch die Einrichtung teurer Datenbanken könnte ein neues Elitewissen entstehen, lautete auch die Warnung der übrigen PodiumsteilnehmerInnen. Der Informatiker Rainer Kuhlen schlug die Einrichtung von öffentliche „Wissensservern“ als Gegenkonzept vor. Die Hindernisse auf dem Weg zur Wissensgesellschaft zeigten sich auch in der Praxis.

An dem von der Böll-Stiftung initiierten Pilotprojekt, der Erstellung eines Bildungsmanifestes via Internet, hatten sich lediglich knapp 90 Personen beteiligt. Nur 10 Änderungsvorschlägen am Ursprungstext wurden letztlich aufgenommen. Doch oft lassen auch die Tücken der Technik zu herkömmlichen Methoden Zuflucht nehmen. So sollten auf einem Kongressforum die Thesen per Computer an die Wand geworfen werden. Nachdem sich das System dreimal abgeschaltet hatte, wurde doch wieder der herkömmliche Overheadprojektor eingeschaltet. PETER NOWAK

Infos zum eManifest: www.bildung2010de./eManifest

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