: Ein Luftschiff namens Elvis
■ Dread Zeppelin im Quartier
Schnappen wir uns Elvis, Ihn, den beleibthaftigen King of Rock'n Roll, im Fett-Stadium seiner dahinsiechenden Las Vegas- Jahre. Jetzt pumpen wir Elvis-the- Pelvis noch zusätzlich mit Luft voll, bis zum endgültigen Zerplatzen nur noch ein winziger Kiekser nötig wäre. Fehlt noch eine überdimensionale Perücke und zwei schwarze Stoffkoteletten. Da, fertig! Vorhang auf: Auftritt Tortelvis, Sonntagabend im Quartier.
Gebührend erhöht und zelebriert wird Tortelvis' Erscheinen in den folgenden neunzig Minuten von seinem Handlanger und Master of Ceremony, Charlie Hodge. Der Mann reicht ihm Wasser und Handtuch, Schweißperlen werden höfisch von der Oberlippe getupft. Die Kleiderordnung von Charlie Hodge und den Musikern von Dread Zeppelin ist ein Tour de force-Lauf durch die letzten zwanzig Jahre Rock'n'Roll und die Garderobe von Jango Edwards.
Rock'n'Roll oder Zirkus? Beides. Klamauk sicher, aber Dread Zeppelin sind dazu versierte Musiker, und sie dürfen sich an diesem Abend sogar in einem vorzüglichen Soundmix wohlfühlen. Ihre Songs sind theatralische Cover von Led Zep bis Presley. Trotz Virtuosität ist der Wiedererkennungswert von Led Zep-Stücken wie »The Song remains the same« des öfteren diffus; aber gerade das regt die Unterhaltung des sichtlich amüsierten Quartierpublikums an.
Drummer und Bassist stützen das aufgeblasene, singende Zeppelin- Luftschiff am vorderen Bühnenrand mit einem Reggae-Groove. Was gar nicht so abwegig ist. Jimmy Page soll in einem Interview mal gesagt haben, daß Led Zeppelin ihre Stücke im Übungsraum oft als Reggaenummern einübten. Jedesmal, wenn der musikalische Ablauf die Aufmerksamkeit des Publikum nicht mehr halten kann, wird es wieder Zeit für eine Showeinlage. Der Bassist strippt, Dreadlocke Fernandez, der mexikanische Congaspieler, legt einen Kopfübersprung vor. Und immer wieder: Page Charlie von links, Mundtupfen für Tortelvis.
Spätestens, wenn der Gitarrist sein fünfminütiges Solo parodistisch aber gekonnt hinlegt, melden Dread Zeppelin ihren Anspruch als Marx Brothers des Rock'n'Roll an. Zum Abschluß gibt es natürlich die ebenfalls bis zur Schmerzgrenze überdrehte Reggae-Version von »Stairway to Heaven«. »Ich habe Elvis 1977 getroffen«, grunzt Tortelvis noch davor. »Und er sagte zu mir: ‘Boy, deine Zeit wird kommen'.« Schön, daß man Rock'n'Roll nicht mehr so ernst nehmen muß. Johannes Paetzold
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