: Ein Laufsteg und Gottlieb Wendehals
■ Dariusz Michalszewski kämpft Sonnabend gegen Leeonzer Barber um der WM-Titel der WBO
Otto Kern ist begeistert. Mit dem Boxer Dariusz Michalszewski hat der Modemacher endlich ein geeignetes Modell gefunden, um seinen eher betulichen Kollektionen ein mächtig wildes Image zu verpassen. Fototermine wurden gemacht, auf Modemessen mußte „der Tiger“ – so der Ringname von Michalszewski – über den Laufsteg stolzieren. Dafür scheute der Kleidungskreative keine Kosten: eine halbe Million Mark Jahresgage erhält Michalszewski, die höchste Werbesumme, die je für einen deutschen Faustkämpfer bezahlt wurde.
Morgen abend ab 22 Uhr in der Alsterdorfer Sporthalle (und auch live auf Premiere eine halbe Stunde später): Der Ernstfall. Dariusz Michalszewski kämpft um den Weltmeisterschaftstitel in der WBO-Version gegen den US-Amerikaner Leeonzer Barber – der bisherige Höhepunkt in der Karriere des 26jährigen Halbschwergewichtlers (die Klasse bis 79,4 Kilogramm). Die Gage des deutschen Herausforderers ist verglichen mit der des Titelverteidigers relativ gering: 100.000 Mark kassiert „der Tiger“, Barber erhält 500.000 mehr.
Seit 1991 verdient der gelernte Tischler und Polsterer Geld mit seinen Fäusten. „Dariusz hat zwei linke Hände“, weiß seine Ehefrau Dorota. Und: „Acht Stunden arbeiten täglich, das wäre nichts für ihn.“ Als Zwölfjähriger – nach dem Tod seines Vaters – hatte der gebürtige Danziger gelernt, seine Fäuste einzusetzen. Zuerst als Mitglied einer Jugendgang in seiner Heimatstadt, dann folgte mit fünfzehn sein erster Auftritt im Ring. Seitdem: Übersiedlung aus Polen, Boxbundesliga für Leverkusen, Europameister der Amateure, 23 Profikämpfe, von denen er keinen verlor.
Gewinnt Michalszewski morgen abend, ist er der zweite deutsche Weltmeister in dieser Gewichtsklasse neben Henry Maske (Frankfurt/Oder), dem Champion nach IBF-Version. Um das Chaos zu komplettieren: Es gibt noch zwei weitere Titelträger. Die vier konkurrierenden Weltboxverbände – International Boxing Foundation (IBF), World Boxing Council (WBC), World Boxing Association (WBA) und World Boxing Organisation (WBO) – veranstalten in insgesamt 17 verschiedenen Gewichtsklassen WM-Kämpfe.
Der Verband für den Michalszewski kämpft, die WBO, ist der kleinste und so unbedeutend, daß dessen Rangliste in der US-amerikanischen Fachpresse nicht auftaucht. Als Einzelboxer wird Michalszewski jedoch in der aktuellen Rangliste von The Ring („The Bible of Boxing“) als Nummer zehn geführt, sein sonnabendlicher Gegner Leeonzer Barber als fünftbester seiner Gewichtsklasse. So betrachtet: ein sportlich interessantes Aufeinandertreffen.
Doch ist es leider nicht das, was die PR-Abteilung des Hamburger Universum-Boxstalls und die des übertragenden Senders Premiere daraus zu machen versuchen: Der Kampf der beiden besten Boxer in ihrer Gewichtsklasse. Daran konnten auch die Werbe-Maßnahmen im Vorwege – wie die Sparringsrunde von Michalszewski mit Gottlieb Wendehals oder sein Modellstehen für eine Kunstmalerin – nichts ändern. Max Schulz
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