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■ Ein Jahr nach der Teilung der TschechoslowakeiZur Wiedervereinigung gehören zwei

Wir werden uns trennen. Und dann werden wir uns wiedervereinigen. Und nie mehr über eine Trennung sprechen. So lautete die Position all derjenigen Tschechen und Slowaken, die sich mit einem positiven Ausblick über die Teilung ihres Landes hinwegtrösten wollten. Und tatsächlich: Schon nach dem ersten Jahr der Unabhängigkeit der Slowakischen Republik können viele Slowaken dieser Unabhängigkeit nicht mehr viel abgewinnen. Denn nun kennen sie deren Preis. Ohne die finanziellen Unterstützungen aus Prag stieg das Haushaltsdefizit auf über eine Milliarde Mark, verlor die slowakische gegenüber der tschechischen Krone ein Zehntel ihres Wertes.

Sollten in den nächsten Wochen angesichts der fortdauernden Regierungskrise Neuwahlen stattfinden, so dürfte sie Ministerpräsident Vladimir Mečiar mit Sicherheit nicht gewinnen. Das Vertrauen in seine großen Versprechungen hatte schon vor der Trennung nachgelassen. Seine Ausfälle gegen die ungarische Minderheit haben das internationale Ansehen der Slowakei auch bei ausländischen Investoren nicht gerade erhöht.

Und doch wird es keine Wiedervereinigung geben. Denn dazu gehören zwei, und der Zweite will nicht. Die Tschechische Republik ist das Musterland der ostmitteleuropäischen Reformstaaten, und dessen ist sie sich wohl bewußt. Die Währung ist stabil, die Arbeitslosigkeit niedrig, die Stellung von Ministerpräsident Václav Klaus unangefochten. So hat das Land eigentlich nur zwei große Probleme: die Mitgliedschaft in Nato und EU und die Beziehungen zu Deutschland. Werden ihr erste nicht oder zu langsam gewährt, fühlt sie sich vom „großen Nachbarn“ ökonomisch abhängig und unter Druck gesetzt. Ein gleichberechtigter Partner in Europa will man sein, doch – so lautet die Prager Litanei – Europa akzeptiert dies nicht. Was, so die Steigerung der Klagen in den letzten Wochen, passiert aber, wenn in Rußland Wladimir Schirinowski eine Erneuerung der Moskauer Herrschaft über Osteuropa zu verwirklichen sucht?

Nun kann man die Politik von Nato und EU gegenüber dem „Herzen Europas“ natürlich beklagen. Doch die ökonomischen Erfolge und die sich darauf gründende Arroganz der tschechischen Politiker haben mit dazu beigetragen, daß die Ergebnisse der Prager Außenpolitik nicht gerade die besten sind. Denn die Tschechen und ihre Regierung wollten sich nicht nur ohne die Slowaken, sondern auch ohne Ungarn und Polen auf den Weg nach Westeuropa machen. Anstelle mit Bratislava, Budapest und Warschau ein gemeinsames Vorgehen zu koordinieren, hat sich Prag aus Furcht, von den anderen, weniger erfolgreichen Reformstaaten behindert zu werden, stets gegen eine Intensivierung der mitteleuropäischen Zusammenarbeit der Visegrad-Staaten ausgesprochen.

Sollten die Nato-Staaten bei ihrem Januar-Gipfel den Sicherheitsbedenken Ostmitteleuropas erneut nicht Rechnung tragen, wird Prag jedoch nicht darum herumkommen, über eine Änderung seiner Außenpolitik nachzudenken. Und dann könnte auch die Slowakei wieder mehr sein als ein bloßer Pufferstaat gegen die Ukraine und Rußland. Sabine Herre

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