: Ein Haus der Geschichte für Europa
In seiner Antrittsrede fordert der neue EP-Präsident Pöttering die Nationalstaaten zu mehr Solidarität auf
BRÜSSEL taz ■ Einen solchen Theatercoup hätte man dem neuen Präsidenten des Europaparlaments gar nicht zugetraut. Hans-Gert Pöttering hatte alle ehemaligen Vorsitzenden des Hauses zu seiner Amtseinführung eingeladen. Die heute 80-jährige Auschwitz-Überlebende Simone Veil war von 1979 bis 1982 Präsidentin des ersten direkt gewählten Europaparlaments, dem auch Pöttering bereits angehörte.
Nur zwei von Pötterings Amtsvorgängern sind schon verstorben – die EU-Demokratie ist eben noch ziemlich jung. Dennoch möchte ihr der neue Präsident ein „Haus der Europäischen Geschichte“ bauen, „als Ort der Erinnerung und der Zukunft“. Die „Berliner Erklärung“, die zum 50. Geburtstag der EU am 25. März proklamiert werden soll, „könnte dafür die Voraussetzungen schaffen.“
Pöttering bereitete so schon einmal den Boden für seine Parteifreundin und EU-Ratspräsidentin Angela Merkel. Damit neben der Vergangenheit auch die Zukunft nicht zu kurz kommt, soll ein Preis gestiftet werden, mit dem das „Engagement junger Menschen für die Europäische Union“ gewürdigt wird.
Als Parlamentspräsident versteht sich der Konservative als Vertreter aller politischen Richtungen im EP. Und so fordert er eine gerechte Strafe für die Mörder von Anna Politkowskaja, kritisiert aber auch Guantánamo, „das mit unseren europäischen Prinzipien einer Rechtsordnung nicht vereinbar ist“. Fordert mehr Wettbewerbsfähigkeit ebenso wie die Wahrung des europäischen Sozialmodells.
Einen geradezu leidenschaftlichen Aufruf richtet Pöttering an die Medien: „Es ist nicht zeitgemäß, nur aus der nationalen Perspektive über Europa zu berichten. Ich bitte Sie, Ihre Studios für europäische Themen zu öffnen.“ Den Politikern sagte er: „Wer nur den Interessen seines eigenen Landes dient, wird am Ende auch diese verspielen, weil er die Solidarität verspielt, die zur Verteidigung der eigenen Interessen notwendig ist.“
Dass Angela Merkel zu Pötterings Amtseinführung nach Straßburg gekommen war, wurde von den Parlamentariern sehr positiv vermerkt. Sie versprach für den Junigipfel einen „Fahrplan, damit die Menschen 2009 bei der Europawahl wissen, über welches Europa sie abstimmen“. Beim Frühjahrsgipfel stehe dagegen das Thema Energie im Vordergrund. „Ich teile das Ziel der EU-Kommission, den CO2-Ausstoß bis 2020 um 30 Prozent zu senken – vorausgesetzt wir finden Partner.“ Schließlich sei die EU nur für 15 % der CO2-Emissionen verantwortlich. „Es gibt kein Problem, das sichtbarer macht, dass das Handeln eines Kontinents allein nicht ausreicht.“ DANIELA WEINGÄRTNER
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