: Ein Hauch von Weltgesellschaft
■ Kioto: Der Klimagipfel hat mehr gebracht als erwartet
Durchatmen ist angesagt. Beim Klimagipfel in Kioto stand gestern abend ein meßbares Ergebnis unmittelbar bevor. Alle Industriestaaten hatten sich geeinigt, den Klimaschutz ernster zu nehmen. Völkerrechtlich bindende Beschränkungen des Ausstoßes an Treibhausgasen waren festgeklopft – ein internationales Abkommen, das den Wachstumsfetischisten Grenzen auferlegt. Mit massivem internationalem Druck war es sogar gelungen, die schlimmsten Klimasünder, die USA und Australien, zu zügeln. Auch wenn die Leine noch sehr lang ist.
Dieser Erfolg hat den Charme des Unerwarteten. Zum einen, weil es in den vergangenen zwei Jahren häufig so schien, als ob sich die Interessen von Öl- und Stromkonzernen sowie Autofahrern weiter gegen die Überlebensinteressen der Menschheit durchsetzen könnten. Zum anderen, weil sich nach dem Erdgipfel von Rio die Konjunktur für globale Vereinbarungen drastisch verschlechtert hatte. Die postkommunistische Weltgesellschaft schien sich in der eifersüchtigen Wahrung eigener Interessen zu erschöpfen.
Vielleicht hat dieser Eindruck getäuscht. Im Frühjahr einigten sich über 150 Staaten auf ein internationales Verbot von Landminen. Die Welthandelsorganisation (WTO) erfüllt ihre internationale Schiedsrichterfunktion zwischen streitenden Handelspartnern besser als erwartet. Und vor wenigen Wochen einigten sich die 29 Industriestaaten der OECD sogar, Bestechungen bei internationalen Geschäften zu ächten. Die internationale Staatengemeinschaft beginnt das Instrument globaler Verträge ernst zu nehmen. Und die Industrieländer gehen dabei voran.
Wie viele Fortschritte das Abkommen von Kioto in den Details gebracht hat, wird noch genau zu analysieren sein. Sicher wird eine viel zu schwache Verminderung der Kohlendioxidemissionen festgeschrieben. Vielleicht erlauben Schlupflöcher im Vertrag sogar, daß die Emissionen aller Industrieländer diesmal noch nicht verringert werden müssen. Ganz sicher aber erlaubt es das Abkommen von Kioto nicht mehr, den Klimaschutz von der internationalen Tagesordnung zu verdrängen. Das ist das deutliche Signal an alle Klimasünder. An die Stromkonzerne und die Autohersteller, die Ölmultis, die Kohlenkonglomerate und an uns Verbraucher. So wie bisher wird es nicht weitergehen. Das ist jetzt amtlich. Alles Weitere steht im Kleingedruckten. Hermann-Josef Tenhagen
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