piwik no script img

Ein Hauch von Watergate

Wäre es nicht charakteristisch für die gesamte Außenpolitik der Reagan–Ära, würde die Affäre wohl als Treppenwitz in die Weltgeschichte eingehen. Ausgerechnet eine Geheimdienstoperation im Iran läutet nun Reagans Götterdämmerung ein, derselbe Iran, der seinem Vorgänger Carter zum Verhängnis wurde und vor dem Hintergrund dessen Debakels Reagan im Wahlkampf 1980 als der „Retter der Nation“ auftreten konnte. Reagan, so beschwor er seine Wähler, würde Amerikas Größe wiederherstellen, statt sich von den Ayatollahs verführen zu lassen. Als seine Administration mit dem „Kampf gegen den Terrorismus“ einen ihrer propagandistischen Eckpfähle eingerammt hatte, wurde der Iran zur Projektionsfläche kollektiven, nationalen Zorns, die Ayatollahs zu beturbanten Teufeln. Noch im Juli 1985 nannte Reagan in einer Rede die iranische Führung „eine neue Spielart von Murder Incorporated“. Seit zwei Wochen ist dieses Bild am Zerbröseln. Es war ohnehin nur für die Medien gemacht, denn insgeheim war der Draht zum Khomeini–Regime nie abgerissen. Der Iran ist zu wichtig für politische Prinzipienreiterei, um nicht wenigstens die Geheimdienste ihre Fühler ohne Unterbrechung ausstrecken zu lassen. Die CIA fuhr dabei mehrgleisig: Sie finanzierte Khomeini–Gegner im Exil und hielt gleichzeitig indirekte Kanäle zum Teheraner Regime offen. Das wichtigste Interesse war dabei, eine Hinwendung Khomeinis zur Sowjetunion zu verhindern und die Operationen des KGB im Iran zu sabotieren. Das Ende der Tudeh–Partei Dabei kam der „Firma“ ein glücklicher Umstand zugute: Wladimir Kuzikchin, ein KGB– Offizier in Teheran, der über beste Kontakte zur kommunistischen Tudeh–Partei verfügte, lief Ende 1982 zu den Briten über und stand auch der CIA für Fragen zur Verfügung. Er übergab den Amerikanern eine Liste von hundert bis zweihundert iranischen Sowjet– Agenten aus den Reihen der Tudeh–Partei und wertvolle Informationen über deren Aktivitäten. Die CIA zögerte nicht lange, diese Erkenntnisse dem iranischen Regime zukommen zu lassen und damit die Hinrichtung der meisten dieser Agenten und das Ende der Tudeh–Partei herbeizuführen. Sie wurde Anfang Mai 1983 verboten, ihr Generalsekretär und sechs seiner engsten Mitarbeiter mußten im Fernsehen öffentliche Geständnisse ablegen. Im Mai 85 später beklagte ein Bericht der CIA, daß die Sowjets sehr viel erfolgreicher als die USA beim Knüpfen von Kontakten für die Post–Khomeini–Ära seien. Der Bericht blieb nicht unbeachtet: Ein Vierteljahr später landete zum ersten Mal ein Flugzeug mit US– Waffen aus Israels Arsenalen in Teheran. Die israelische Connection Die Maschine war in Israel gestartet, einem Land, mit dem der Iran seit mindestens 1981 Waffengeschäfte tätigte. Israel fürchtete, so wird dies begründet, einen militärischen Sieg des Irak im Golfkrieg mehr als den schiitischen Messianismus der Ayatollahs. Diese Verbindung wurde trotz des US–Waffenembargos gegen den Iran durch Mittelsmänner im internationalen Waffenschwarzmarkt aufrechterhalten, und sie zahlte sich letztendlich für den jüdischen Staat durch eine erstklassige Informationsque Ayatollahs brachte die amerikanische Seite zu ihrer These von der Existenz einer „gemäßigten Fraktion“ im iranischen Führungszirkel. Mit den Waffenlieferungen habe man diese Kräfte unterstützen und ihre Ausgangsposition für die Post–Khomeini–Ära stärken wollen, versuchte das Weiße Haus sein Handeln zu rechtfertigen. Doch niemand hat sich bisher davon überzeugen lassen. McFarlanes Mission Israel war es auch, das der Reagan–Administration nahelegte, direkten, persönlichen Kontakt zum iranischen Regime anzuknüpfen. Dies führte Ende Mai dieses Jahres zu der Reise des ehemaligen Sicherheitsberaters McFarlane und dreier Begleiter nach Teheran. Fünf Wochen nach seinem weitgehend fehlgeschlagenen Trip wurde eine weitere Ladung Waffen in den Iran geflogen, am 26. Juli wurde dann Lawrence Jenco im Libanon freigelassen. Eine dritte Lieferung Ende Oktober ermöglichte die Freilassung David Jacobsens am 2. November (Siehe auch Seite 7). Letzten Berichten zufolge wurden für bis zu 100 Millionen Dollar Waffen geliefert, achtmal soviel wie die Reagan–Administration bisher zugegeben hat. Bei jedem der Waffenflüge hatte die Reagan–Administration gehofft, nicht nur eine, sondern mehrere Geiseln übergeben zu bekommen. Als Ronald Reagan am Dienstag überraschend vor das Pressecorps des Weißen Hauses trat, konnten sich die anwesenden Journalisten denken, worum es ging: Der Präsident würde wohl Rücktritt oder Entlassung eines oder mehrerer Mitarbeiter ankündigen. Tatsächlich gab der Präsident bekannt, daß sowohl sein Sicherheitsberater Admiral John Poindexter als auch Oberstleutnant Oliver North, ein Mitglied des Nationalen Sicherheitsrates, entlassen worden seien. Dabei aber blieb es nicht, und die Enthüllung, daß der Erlös der Waffenverkäufe an den Iran über Schweizer Bankkonten nach Zentralamerika, in die Kassen der nicaraguanischen Contra floß, kommt einer politischen Bombe gleich. Hatte Reagan schon die Aufdeckung des Waffendeals mit dem Iran in Bedrängnis gebracht, so wird nun, nachdem Zentralamerika urplötzlich ins Zentrum der iranischen Affäre gerückt ist, ein Aufruhr die Vereinigten Staaten erfassen, wie Ronald Reagan ihn während seiner Präsidentschaft noch nie erlebt hat. Vertrauensbruch, Gesetzlosigkeit und Improvisation bestimmten die amerikanische Außenpolitik der Reagan–Jahre, allein im vorliegenden Fall können die von der Administration unterlaufenen und gebrochenen Auflagen und Gesetze nicht mehr an einer Hand allein abgezählt werden. Über Washington liegt ein Hauch von Watergate, und zurück bleibt nicht nur ein geschockter Kongreß, sondern auch eine zutiefst enttäuschte amerikanische Öffentlichkeit. Jetzt wird es darauf ankommen, wieviel der Präsident gewußt hat, wann er es gewußt hat und welche weiteren Konsequenzen er aus der iranisch– zentralamerikanischen Kabale ziehen wird. Stünde er einer parlamentarischen und nicht einer präsidialen Demokratie vor, hätte Ronald Reagan am Dienstag zurücktreten müssen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen