: Ein Hauch von Agitation
■ Atelierausstellung von Werner Brunner in der Oranienstraße
Freunde schlepptem dem Maler Werner Brunner den dicken Abhub einer Plakatwand aus Potsdam ins Atelier. Er schnitt die zehn Jahre alten Schichten der Ankündigungen auf: Das Relief einer archäologischen Grabungslandschaft entstand, in der die Fundhorizonte von 1979 bis 1989 ausgewiesen sind. Zeit wird erfahrbar als Ablagerung.
Werner Brunner, ehemals Architekt und Bauforscher, wandte sich frustriert von der Baupolitik der sechziger, siebziger Jahre der freien Kunst zu. In diesem Mediem führt er seine Auseinandersetzung mit Architektur als Teil des Sichtbarwerdens von Geschichte fort. Großformatige Bilder mit collagierten Elementen und eingeschriebenen Stichworten zum »Kulturforum« und zum »Brandenburger Tor« klagen jetzt in seinem Atelier Stadtzerstörung und einen plumpen Umgang mit Geschichte an.
Der Prozeß des Malen beginnt beim ihm oft mit der Überarbeitung von tagespolitisch aktuellem Material. Fotokopien von Zeitungsfotos dienen als Unterlage: der Trabi im Müllcontainer, die umgestürzten Steine eines jüdischen Friedhofs, ein im Öl verendeter Schwan werden vergrößert und grob gerastert zum monumentalen Vorwurf der Malerei. Er entzieht die Motive dem Durchlauferhitzer der kurzlebigen Nachricht, um sie dem Gedächntis der Bildbetrachter einzuverleiben. Doch manchmal wirkt seine Malerei über den Vorlagen dünn, ein wenig poetische Tünche, redundante Verfremdung des Motivs. Der verölte Schwan, der seine verklebten Flügel wie ein Reichsadler spreizt, ist zunächst von einem Rand schwarz verbrannter Materie eingefaßt, den wiederum mit Pastellfarben übermalte Starfighter-Geschwader umgeben. Neues teilt diese konstruierte Beziehung zwischen kriegerischer Technologie, nationalistischer Ideologie und dem Sterben des Schwans kaum mit. Der Schlüssel der Symbole ist zu schnell bei der Hand.
Ein milder Hauch von Agitation ist Werner Brunner geblieben, dessen Bilder vor fünf, zehn Jahren noch stärker an das moralische Empfinden des Betrachters appellierten. Er sucht seine Mittel der Botschaft eklektizistisch zusammen. Seine Aneingung von Werner Heldts 1933-34 entstandener Zeichnung »Aufmarsch der Nullen« wirkt nicht sehr überzeugend: für seine Interpretation »Unentwegter Aufmarsch der Nullen« hat er Heldts Zeichnung in drei Größen ineinander verschachtelt. Dabei legte der Bildaufbau Heldts mit den endlosen Kopfkringeln vom Vordergrund des Platzes bis in die Tiefe einer Straßenflucht selbst schon das unaufhörliche dieser Bewegung nahe. Was Brunner als Geste der Potenzierung und Aktualisierung meint, entkräftet die Bildaussage.
Seine Kraft zur eigenen Bilderfindung probt er in »Zwischen den Stühlen« und »Deutschland ein Wintermantel«, Metaphern vom emotionalen Kältetod. Der Wintermantel, auf die Bildfläche geklebt und weiß und fleckig übermalt, könnte für eine Gesellschaft der Unbehausten und Ungeschützten stehen. Die Stühle, zwischen die ein am unteren Bildrand wie ertrunken liegender Mann gerutscht ist, stehen mit geisterhaft weißen Kreidekonturen auf eine blaudunkle Fläche geborstener Eisschollen geschrieben. Gerade das Unbestimmte der Mächte, zwischen die der Versunkene geraten ist, erhalten dem Bild Spannung. Katrin Bettina Müller
Werner Brunner, 180.000 cm2 Malerei, Atelierausstellung im Atelier Oranienstraße 19a, bis 17. Dezember, So bis Fr 14-18 Uhr.
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