■ Klosse: Ein Gräuel
Die Bundesrepublik kann sich wegen ihrer Weltoffenheit auf die Schulter klopfen: Ein „zwischenstaatliches Abkommen“ mit Österreich und der Schweiz zwecks Reform der gemeinsamen (?) deutschen Schriftsprache schließt man nicht alle Tage. Böse Zungen würden einen Rückfall in Großhirngespinste vermuten. Aber, behaupten läßt sich viel, ohne sofort von Reformwütigen als Legastheniker abgestempelt zu werden – ähh, wie schreibt man das jetzt? Aber nicht zu viel des Guten. Goethe kennt schließlich kaum noch jemand, Kommaregeln sind im Faxzeitalter nicht gefragt, und Spagettis sind was Hauptstadtdeutsches. Also annektieren. Sieger ist das Land mit den meisten Wörtern.
Bloß die Heilige Kuh der deutschen Dialekte bleibt unangetastet. Oder wie säh' der kölsche „Halve Hahn“ auf Reformdeutsch aus? Jedes Bundesland rührt im eigenen Brei, welches kriegt den Passierschein zur Intelligenzia als erstes? Berlin nicht, denn Berlin schafft es, die Lehrer unmittelbar vor Schulbeginn das Fürchten vor ihren Erstklässlern zu lehren. Nicht nur, daß der Rückgriff auf stabiles Dudenwissen schwerfällt. Nein, allein die Unsicherheit, wenn der Gräuel von Rechtschreib-Koloss sich durchsetzt und der Spross behände und überschwänglich Schluss-macht mit des Lehrers Auto-, authoritet? Isabel Fannrich
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