■ Urdrüs wahre Kolumne: Ein Festival der Liebe
Zur Zeit verwehrt die Baustelle Obernstraße dem Straßenbahnkunden die gewohnte Durchfahrt. Anlass für eine erquickend schlechtgelaunte Dame um charmant gesagt Mitte 60, bei der Umleitung die anderen Fahrgäste in der Linie 3 mit den Worten aufzuwiegeln: „Dann muss man ja 'ne Stunde laufen, bis man zu Karstadt kommt. Kein Wunder, dass keiner mehr in Bremen einkauft.“
Diese Kritik veranlasst nunmehr eine wesentlich jüngere Frau zu der Erklärung, sie könne solche Miesmacherei nicht mehr hören und im übrigen gäbe es ja wohl für Leute ihren Schlages genügend Klamotten im Altkleidercontainer: „Kommt doch bei Ihnen sowieso nicht mehr drauf an.“ Da hat die alte Dame angefangen zu weinen und festgestellt: „Die Kaufhalle hamse auch zugemacht.“ Ich hätte mitheulen können und hätte mich gern von irgendeiner Regine Hildebrandt trösten lassen: „Dette wird schon wieda, wa?!“ Aber wenn man sowas braucht, ist es gerade nicht verfügbar ...
Ein ausnahmsweise nicht verregneter Abendspaziergang führt mich mit dem ortsansässigen Theologen Wolfgang S. zu den Weserterrassen, wobei die Gespräche um Gott und die Welt und vor allem die entgegenkommenden Mädchen kreisen und als wir uns gerade wechselseitig auf zwei besonders hübsche Menschenkinder aufmerksam machen, versichert uns ein inzwischen dazugestoßener buddhistischer Kirchenmusiker, dass es sich bei diesen Frauen um Männer handele. Auch wieder so ein Hinweis auf wachsende Probleme des Älteren, sich in der Welt zurecht zu finden.
Mit großer Freude entnehme ich dem Weser-Report vom Mittwoch, dass die „Nigeria-Connection“ im Raum Bremen wieder zuschlägt. Ein Kreis aufgeweckter junger Afrikaner also, der im Kreise der Besserverdienenden per e-mail Helfershelfer für Devisenbetrügereien sucht, dafür goldene Berge verspricht und diese unersättlichen Gierhälse dabei gehörig über Vorfinanzierungen des Schwindelmanövers abzockt. Wir begrüßen diese Strategie einer Weltbank von unten mit Nachdruck und wünschen der Connection den wohlverdienten Erfolg bei allen Pfeffersäcken dieser Stadt!
Apropos Pfeffersäcke: Beim Getränkeverkauf zur Mai-Demo der regionalen Unternehmerverbände gegen den Ausbau von Arbeitnehmerrechten wurde ein Erlös von gerade mal tausend Mark zugunsten der dubiosen „Bremer Schuloffensive“zusammengetrunken. Saufen könnense also auch nicht!
Wer immer sich veranlasst sieht, die Polizei mit dem BSE-trächtigen Schimpfwort „Bullen“ zu belegen und dafür nach den gängigen Bußgeldkatalogen zur Kasse gebeten wird, hat künftig ein gewichtiges Argument zur Entlastung auf seiner Seite: Nach der Verfolgung eines entlaufenen Rindviehs an den Stemweder Bergen in Westfalen formulierte der Polizeisprecher den Sachverhalt offiziell und präzise mit den Worten „Bullen jagen Bullen“. Wie will man es da dem gemeinen Bürger verdenken, diesen Begriff auch dann zu adaptieren, wenn Bullen Castorgegner jagen ..?
Die Missachtung des Oldenburger OBs Jürgen Poeschel durch die Organisatoren des CSD in der Huntemetropole kann ich als bewegter Mann nicht akzeptieren: Da ringt sich der Jürgen nach Jahren der Angst endlich dazu durch, als Kerl unter Kerlen die Sau rauszulassen und dann verwehrt man ihm die Chance zum Outing auf der Abschlusskundgebung. Find ich ziemlich ungeil von den Jungs, Jürgen. Aber lass mal – im Dark-room sind alle Kater grau!
Ansonsten kann Mann natürlich auch morgen bei der taz-Fete im Moments feiern: Wenn Schlagerstar Lars Vegas uns den Jürgen Marcus macht, kann das glatt zum Festival der Liebe werden ...
Hofft schon zuversichtlich
Ulrich „Drafi“ Reineking
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