heute in bremen: „Ein Erfolg ist die Mitbeteiligung“ der Schüler
Raimund Gaebelein, 70, ist Landesvorsitzender der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes Bremen.
Interview Teresa Wolny
taz: Herr Gaebelein, welche Hoffnungen waren mit der Gründung der Bremer Räterepublik verbunden?
Raimund Gaebelein: Angestrebt war eine grundlegende Verbesserung der Lage der arbeitenden Bevölkerung in Bremen. Es sollte eine Regierung geschaffen werden, die über die Forderung der bürgerlichen Revolution hinausging. Die Macht der Banken und der Industrie sollte beschnitten und die Hindernisse, die einer gerechteren Gesellschaft im Weg standen, ausgeräumt werden.
Woran ist die Räterepublik gescheitert?
Der entscheidende Punkt war die Weigerung der Banken, öffentlichen Bediensteten Löhne und Gehälter zu zahlen. Damit wurden dem gesamten öffentlichen Dienst die Geldmittel entzogen. Daraufhin haben die Verantwortlichen der Räterepublik die gesamte Verwaltung übernommen, worauf sich die Handelskammer an die Regierung in Berlin wandte und die Zerschlagung der Räterepublik durch das Militär forderte. Dieser Intervention sind insgesamt knapp 70 Menschen zum Opfer gefallen.
Was genau ist passiert?
Die führenden Leute, die die Räterepublik getragen und die Waffen gegen die Reichswehr erhoben hatten, wurden steckbrieflich gejagt und verhaftet. Unter dem sozialdemokratischen Bürgermeister Bremens wurde das Standrecht verhängt, das war ein Militärrat ohne Berufungsinstanz, bei dem die verantwortlichen Offiziere über Leben und Tod entscheiden konnte. Die Arbeiter standen schlechter da als vorher, da sie sich nicht mehr wehren konnten.
Was wurde während der Räterepublik erreicht?
Gedenkveranstaltung Verteidiger der Bremer Räterepublik, Sonntag, 11 Uhr, Waller Friedhof, anschließend: ab 12 Uhr Kulturprogramm im Westend
Ein interessanter Erfolg ist sicher die Mitbeteiligung der Schüler an der Gestaltung des Unterrichts, die von Hermann Böse durchgesetzt wurde. Außerdem ist die Gründung von Betriebsräten Ergebnis der Räterepublik.
Welche Bezüge gibt es zu heute?
Die aktuellen Streiks der Gewerkschaften korrespondieren mit einem Punkt, der bereits 1919 eine Rolle spielte: Die Forderung, Lohn-und Gehaltssummen bei Verkürzung der Arbeitszeit gleichbleibend zu lassen.
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