piwik no script img

Ein Ei im Wattenmeer

■ Heftiger Konflikt über Ökologie und Ökonomie an der Westküste Holsteins

Pfiffe statt Blumen für Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD): „Wir werden nichts über Ihre Köpfe hinweg entscheiden“, hatte sie gestern mittag vor der Stadthalle von Tönning ausgerufen. Von etwa 300 Gegnern des Naturparks Wattenmeer erntete sie nur Hohngelächter. Ihr grüner Umweltminister Rainder Steenblock wurde mit Eiern beworfen. „Hat man Vertrauen in Ökologen, wird man um sein Brot betrogen“, war eine Parole, die den Konflikt auf den Punkt bringt, der zur Zeit an der Westküste Schleswig-Holsteins tost.

Die Geister scheiden sich am „Synthesebericht Wattenmeer“, den Simonis, Steenblock und Landwirtschaftsminister Hans Wiesen (SPD) gestern mit mehr als 100 VertreterInnen kommunaler Umwelt- und Wirtschaftsverbände diskutieren wollten. Das Gutachten, 800 Seiten dick und 24 Millionen Mark teuer, empfiehlt eine Ausweitung des Nationalparks Wattenmeer zwischen Sylt und Elbmündung sowie die Einrichtung besonders geschützter Kernzonen, die Menschen nur zeitweise betreten dürfen. „Heimat ist Freiheit, kein Sperrgebiet“, antworten Fischer und Bauern, Segler und Jäger, Schäfer und der Bäderverband. Sie fürchten um Arbeitsplätze besonders im Tourismus, dem stärksten Wirtschaftsfaktor der Region.

Gestritten wird vor allem um das vom Bericht geforderte Vorsorgeprinzip, nach dem „Einflüsse menschlichen Handelns auch dann reduziert oder unterbunden werden müssen, wenn eine negative Wirkung zwar nicht nachgewiesen, aber wahrscheinlich ist“. Für die Gegner der Ausweitung schlicht „ein Ermächtigungsgesetz“.

Ob der vom rot-grünen Kabinett gewünschte offene Dialog mit den Küstenbewohnern über eine Neuformulierung des Nationalpark-Gesetzes über das gestrige Treffen hinausgeht, ist offen. Am drastischsten formulierte die Ablehnung Hermann Petersen, Sprecher der Dithmarscher Kommunalverbände: „Früher wurde, wer den Deichfrieden störte, des Landes verwiesen“, warnte er Simonis. smv

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen