: Ein CDU-Vize zu viel
Nach der Nominierung Angela Merkels als Parteichefin steht die Frage ihrer vier Stellvertreter an: Eine Kampfabstimmung wird nicht ausgeschlossen
BERLIN taz ■ „Sie hat das sehr nett gemacht!“ Der ältere Herr, der als Präsidiumsmitglied dem engsten Machtzirkel der CDU gehört, ist zufrieden mit seinem neusten, jüngsten und ersten weiblichen Parteivorsitzenden. Also, wie sie da im Bundesvorstand ihre Bereitschaft zur Kandidatur erklärt hat, ganz fein, findet Peter Rauen. „Es zeigt sich eben: Frauen sind auch Menschen“, kommentierte die frisch nominierte Angela Merkel auf ihrer ersten Pressekonferenz die nicht abreißende Verwunderung innerhalb und außerhalb der Partei. Die obersten Gremien der CDU Deutschlands haben soeben eine Außenseiterin als Vorsitzende vorgeschlagen – und noch ist völlig unklar, wie lange der Mut der Partei vorhält. „Wir sind hier nicht in China“, bremste gestern der thüringische Ministerpräsident Bernhard Vogel die Vorstellung von allzu weit reichenden Konsequenzen aus Merkels Nominierung, „wir haben keine Kulturrevolution.“
An Merkels Wahl auf dem Parteitag Anfang April in Essen besteht zwar kein Zweifel. Die ersten Auseinandersetzungen blühen der Partei in weiteren Personalfragen. Am einfachsten ist über den Generalsekretär entschieden, denn den kann eine Vorsitzende nach ihrem Gusto ernennen. Noch hat sie sich offenbar nicht festgelegt.
Schwieriger ist die Situation bei den vier stellvertretenden Vorsitzenden. Nach Lage der Dinge könnten fünf Kandidaten antreten: Christian Wulff, Volker Rühe und Annette Schavan wollen wieder antreten, Jürgen Rüttgers aus NRW will Norbert Blüm beerben, und auch Saarlands Ministerpräsident Peter Müller erwägt eine Kandidatur. Weil Müller und Wulff einander als „Junge Wilde“ verbunden sind und nicht konkurrieren wollen, könnte es Volker Rühe treffen. Von Merkel wird freilich eine Positionsbestimmung erwartet.
Eine gängige Annahme in der CDU lautet, dass Merkel auf ihrem Weg an die Spitze mächtige Männer ausgebremst hat. Gerade diese Riege wartet nur auf den ersten Fehler der jungen Vorsitzenden. Es ist daher ein vergiftetes Kompliment, wenn Jürgen Rüttgers nach der Vorstandssitzung erklärt, man erwarte, dass Angela Merkel die CDU jetzt ganz schnell zu Erfolgen führe. Schnelle Erfolge der CDU aber, etwa bei der Landtagswahl in NRW, sind fürs Erste nicht in Sicht – und die Niederlagen werden künftig auch Merkel angelastet. Rita Süssmuth mahnte gestern bereits, „keine zu hohen Erwartungen“ an Merkel zu richten.
Die Wahl einer so jungen Vorsitzenden erzeugt aber auch in der Partei Druck, den gerade die Älteren in der Parteispitze schon unangenehm zu spüren scheinen. Sachsens Ministerpräsident Kurt Biedenkopf beeilte sich jedenfalls nach der Sitzung, sein eigenes Alter zu relativieren: „Ich habe in meinem eigenen Kabinett vier Mitglieder, die unter 45 sind.“ PATRIK SCHWARZ
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