: Ein Bildungsroman von Dubski und Preiß: 7. Wenzel
7. Wenzel
Margot brauchte einen Vertrauten. Einen Freund würde sie später suchen. Auf einer Party mußte sie in dieser Zeit ohne Raffinement und Übung eine Menge gleicher Burschen abwimmeln. In der Ferne sah sie in einer bewegten Ecke immer wieder Lichter aufleuchten.
Natürlich war es Wenzel. Wenn Wenzel jemanden traf, passierte es immer, daß sich sein Gesicht bis zu den Haarwurzeln ampelrot färbte. Schweißtropfen sammelten sich auf seiner Stirn. Sie bildeten einen großen Tropfen - der die Nase herunterrannte, während Wenzel seinem Gegenüber aufgeregt die Worte von den Lippen klaubte. Tropfte er von der Spitze, wich das Rot und Wenzels Augen leuchteten grün. Er begann zu sprechen; „Hallo, ich bin Wenzel“. Margot beobachtete einige Ampelphasen. Gerade hörte Wenzel mit roter Stirn einem Künstler zu, und als der innehielt, als Wenzel sich selber grün gab, sagte Wenzel: „Ficken, ficken, ficken.“ Der Künstler verzog sich beleidigt. Wenzel war ihm zuvorgekommen. Danach näherte sich eine Schauspielerin, und Wenzels Rotphase wurde schon bald vom Leuchten seiner grünen Augen abgelöst: „Ich weiß, daß ich gut bin“, äußert er begeistert und auch hier war er fast schneller. Die Schauspielerin sprach es synchron aus. Solche einfachen, seriellen Fälle waren für Wenzel keine Schwierigkeit. In zwei oder drei Minuten löste er sie.
Margot hatte sich für Wenzel entschieden. „Das ist er!“ sagte sie und stellte sich hinter Wenzel. Um zu verhindern, daß Wenzel auch ihr nur ein doppeltes Leuchten schenkte, flüsterte sie ihm von hinten ins Ohr: „Du wirst mein Vertrauter“, und auf Wenzels Gesicht sah man keine Farbveränderung. Mit ruhigem, fast beseeligtem Gesicht hörte er der Stimme zu, die seine eigene zu sein schien. „Du bist mein Vertrauter und wir werden uns manchmal treffen und sprechen“, sagte sie zu Wenzel. Zum Test führte sie Wenzel von hinten an andere Personen heran; einen Literaturprofessor (4 Minuten), einen Musiker (1 min.) und einen Berliner (immer sutsche, Viertelstunde). Sie war sehr zufrieden. Wenzel erkannte sie von nun an an ihrer Stimme, aber er sollte ihr nie ins Gesicht sehen oder doch erst sehr viel später.
Wenzel machte Erfindungen, Erhebungen, Eingaben; organisierte Projekte, Aufruhr, Beruhigung und vieles mehr. Schon das nächste Problem Margots löste Wenzel mit einer Broschüre. Es handelte sich um ein Problem, da fast die ganze Welt angeht. Fortsetzung folgt
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