: Ein Amerikaner im Konzert
■ Die Gershwin Gala 88 vom American Opera Orchestra wurde am Sonntag in der Glocke zu Bremen zelebriert
Auf die Greatest Hits aus „Porgy und Bess“ und die „Rhapsody in Blue“, die man vielleicht unwillkürlich mitgesummt hätte, wenn die Atmosphäre in der Glocke nicht ganz so seriös und feierlich gewesen wäre, mußte man bis nach der Pause warten. Auch die Solisten mußten sich solange gedulden, in der ersten Stunde des Konzerts standen die sechzig Musiker des American Opera Orchestra mit dem Dirigenten Emmett Mitchell Steele im Mittelpunkt. Und sie spielten zuerst eher unbekannte Kompositionen. Das war eine der angenehmen Überraschungen des Abends: man kann bei Gershwin immer noch Entdeckungen machen. Kleinere Stücke wie die Promenade „Walking The Dog“ (etwas gewagt übersetzt in „Mit Fiffi Gassi gehen“, deren Partitur erst 1976 auf einem Dachboden wiederentdeckt wurde, oder als showpiece für die Streicher das ruhige, liebliche „Lullaby“.
In der „Cuban Overture“ hatten dann die vier Perkussionisten ihren großen Einsatz an den karibischen Instrumenten, und hier zeigte sich die einzige Schwäche des ansonsten sehr genau und lebendig spielenden Orchesters: Die Rumbarasseln, Trommeln und Tambourins hörten sich unpassend, steif und klötterig an: das Orchester konnte nach der Partitur swingen, aber die Drummer müßen den Rhythmus aus sich heraus spielen, und da fehlte etwas bei den klassischen Musikern. In „An American in Paris“ hatten sie aber wieder einige wirkungsvolle Einsätze an verschieden gestimmten (!) Autohupen.
Nach der Pause trat dann das Orchester etwas in den Hintergrund, und die Solisten bekamen viel Raum für ihre Interpretationen. Aus „Porgy und Bess“ wurden die gesanglich eindrucksvoll
sten Stücke präsentiert, von So pranistin Karen Parks als Bess und Bariton Emerson Green als Porgy. Beide spielten auch in den Songs die Rolle aus der Oper. Ein bißchen wurde dabei geschummelt, denn eigentlich singt Bess gar nicht „Summertime“, und in dem aggressiven, mehr Haß- als Liebesduett „What You Want WithBess“ ist Porgys Konkurrent Crown an der Seite von Bess, aber gegenüber der sehr anrührenden, virtuosen Vorstellung sind das Nichtigkeiten. Die beiden SängerInnen brachten einige in der klassischen Musik unübliche, aber genau passende Bluesschattierungen in ihre Soli. Karen Parks bekam sogar am Ende von „My Man's Gone Now“ Raum für jazzige Koloraturen, die sie näher an Ella Fitzgerald als an Anneliese Rotenberger rücken ließ.
Von einer anderen Seite her änderte die dritte Solistin die Atmosphäre des Konzerts. Die Pianistin Assia Zlatkowa aus Bulgarien betonte die klassische, europäische Hälfte in Gershwins Musik, indem sie die „Rhapsody in Blue“ in ein virtuoses Klavierkonzert verwandelte, bei dem sie alle Finessen ihrer Technik in den Soloparts ausspielte, dort auch ihre ganz eigenen Tempi durchsetzte, die einen spannenden, aber nie störenden Kontrast zum swingenden Takt der Komposition bildete.
Am Ende des Konzerts gab es langanhaltenden Beifall, und dabei konnte man in aller Ruhe die merkwürdigen Rituale der klassischen Musiker betrachten, fast jeder auf der Bühne schüttelte jemandem die Hand und verbeugte sich, man ging ab und kam wieder heraus, noch mehr Händeschütteln, viel Lächeln, viel Etikette. Nur eine Zugabe schien nach den Regeln dieser Kunst nicht angemessen zu sein.
Willy Taub
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