: Ein Afrikaner in Italien
■ Südtirol kennenlernen und den Kopf oben behalten
Für mich als Afrikaner ist Südtirol eine faszinierende Region: hohe Berge, Schnee, vornehme Skiorte. Nur: Eigentlich wär's für mich gesperrtes Gebiet, obwohl ich in Westdeutschland lebe und arbeite. Aber so angenehm wie die Gastfreundlichkeit der Südtiroler sind für mich auch die offenen Grenzen an den österreichisch-italienischen Straßen: Wenn ich den Kopf einziehe, wird ein deutsches Auto, das einen dunkelhäutigen Menschen wie mich transportiert, einfach durchgewinkt. Und anders gibt es für mich keinen Zugang in das Land, wo die Zitronen blühen.
Warum nicht? Weil da das italienische Konsulat vor ist. Denn natürlich habe ich mehrfach versucht, hocherhobenen Kopfes im Auto über den Brenner zu kommen. Nur: Ich hätte ein Visum gebraucht.
„Junger Mann, Sie wollen ein Visum für Italien?“ „Ja, gerne“, so begann das Gespräch mit dem Beamten im italienischen Konsulat in Deutschland. Ich hatte mir einen Tag freigeben lassen, den frühesten Zug genommen, das Konsulat frühmorgens betreten. Den dreifachen Visumsantrag hatte ich bei mir, drei Paßbilder, meinen Paß und mehr.
Ist der Paß gültig? Ist es sein Paß?. Diesen Fragen galt zunächst das Forschungsinteresse des Beamten. „Aufenthaltsgenehmigung?“ „Ja, bitte hier.“ „Gut. Wo wohnen Sie?“ „In Siegen.“ Wie können Sie das beweisen?“ „Bitte, hier.“ „Wo arbeiten Sie?“ „Bei...“ „Ah ja. Aber haben Sie eine Arbeitserlaubnis?“ „Ja, bitte, ich habe sie dabei.“ „Aber Sie sagten, Sie seien bei dieser Firma in Ausbildung?“ „Bitte, hier ist mein Schülerausweis für die Berufsschule.“ „Gut. Ihre Arbeitsgenehmigung ist ein paar Monate alt. Wir brauchen eine aktuelle Bescheinigung der Firma, daß Sie jetzt dort arbeiten.“ „Die habe ich nicht dabei.“ „Gut, kommen Sie in den nächsten Tagen wieder vorbei.“
Schon war ich auf dem Weg zur Tür; wieder ein Tag Arbeitsausfall, wieder die Fahrtkosten. Mist! Mir kam noch eine Idee: „Kann ich die Bestätigung meiner Firma nicht morgen mit Telex schicken?“ „Ja, das wird gehen.“ Ich setzte mich wieder. „Was wollen Sie in Italien?“ „Eine Woche Ferien machen.“ „Schön, wo?“ „In A. über Brixen.“ „Wie kommen Sie dahin?“ „Mit einer befreundeten deutschen Familie.“ Haben diese Deutschen Sie dazu eingeladen?“ „Ja, ich habe mich sehr gefreut.“ „Wo ist die Einladung?“ „Hier ist das Schreiben.“ „Und wohin bei Brixen wollen Sie?“ „Zu der Familie E. bei Brixen.“ „Wo steht das in der Einladung?“ „Bitte, wenn Sie den Brief umdrehen wollen: Dort steht die Adresse.“ „Ah ja.“ Der Beamte schien zufrieden. „Wie fahren Sie denn dahin?“ „Mit der befreundeten Familie. Mit dem Auto.“ „Wo sind die Autopapiere?“ „Bitte, hier sind die Kopien der Zulassungspapiere für das Auto.“ „Schön. Und wie ist Ihr Urlaub finanziert?“ „Nun, ich verdiene ein wenig. Die befreundete Familie bürgt für mich. Sehen Sie bitte hier im Brief.“ „Mmh, ja... Dann sollten Sie jetzt aber doch noch die Familie E. bitten, für Sie nach Brixen aufs Einwohnermeldeamt zu fahren und Ihnen dort schriftlich zu bestätigen, daß Sie bei ihnen eingeladen sind. Dies amtlich beglaubigte Schreiben sollte Ihnen zugeschickt werden, und damit sollten Sie dann wieder zu uns kommen. Buon giorno!“
Südtirol kennenlernen und am Brenner den Kopf oben behalten — beides zusammen war nicht möglich.
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