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Eigentumsverhandlungen

■ Bonn möchte noch vor dem 1. Juli eine Zusatzvereinbarung zum Staatsvertrag erreichen, die das Eigentum über DDR-Grundstücke und Häuser regelt

Bonn (dpa) - „Die Sache brennt unter den Nägeln“, heißt es in Bonner Regierungskreisen. Das heiße Eisen Eigentumsrückgabe von DDR-Grundstücken und Häusern an „Westler“ oder Entschädigung soll nun doch sofort angepackt werden. Bonn möchte noch vor Inkrafttreten der Währungsunion am 1. Juli mit dem Staatsvertrag eine Zusatzvereinbarung erreichen - und wäre sie nur ein erster Schritt aus diesem Justizdschungel in Richtung auf Rechtssicherheit.

Der Druck auf beiden Seiten der Bevölkerung ist sehr groß. In den zuständigen Bonner Ministerien heißt es: „Täglich rufen Hunderte von Bundesbürgern - Flüchtlinge oder enteignete Erben - an“, die wissen wollen, wie sie möglichst schnell an ihren Besitz in der DDR herankommen. Doch dort zittern die heutigen Nutzer, zumeist einfache Arbeiter, die sich auf dem von der damaligen SED für volkseigen erklärten Grundstücken mit deren Genehmigung Häuschen gebaut haben.

Diese Konstellation - Eigentümer des Grundstücks im Westen und Eigentümer des darauf gebauten Hauses im Osten Deutschlands - ist nach Angaben aus den verhandelnden Bonner Ministerien für Justiz und Innerdeutsche Angelegenheiten die derzeit „schwierigste Rechtsfrage in dem Eigentumsbrei überhaupt“. Man geht in Regierungskreisen davon aus, daß mindestens 500.000 Flüchtlinge ihre Besitzansprüche durchsetzen wollen, wenn etliche davon auch glatt ausgehen mögen. Sieht so der Beginn der Vereinigung aus: Deutsche West gegen Deutsche Ost vor Gerichtsschranken wegen Besitz und Unrecht?

Nach dem derzeitigen Verhandlungsstand hilft es nach Meinung von Beobachtern wenig, wenn die Koalition in Bonn „lautstark“ die Eigentumsrückgabe reklamiert und Entschädigungen zur Ausnahme machen will. Genau dieser Ansatz ließ DDR-Ministerpräsident Lothar de Maiziere - wie die 'dpa‘ erfuhr - jetzt davor zurückschrecken, einer von den Unterhändlern fast fertigen Vereinbarung zuzustimmen. Herrscht doch ohnehin in der DDR zum Teil panische Angst vor dem Ausverkauf an die Bundesbürger mit den gefüllten Taschen. Laut 'dpa‘ meldete sich eine „Initiative der DDR -Enteigneten e.V.“ zu Wort, 100.000faches Unrecht dürfe nach 40 Jahren nicht Gesetz werden.

Für Bonn zieht Justizstaatssekretär Klaus Kinkel in Geheimdiplomatie die Fäden. Dabei gehört - wie in Regierungskreisen bekräftigt - zur Ausgangserkenntnis, daß die Grundbücher in der DDR im Laufe der Zeit „enorm gefälscht“ wurden. Ungeklärt sind viele Erbverhältnisse.

Das Hauptproblem betrifft die Einzelnutzer, eben die sächsischen oder Thüringer Bauherren, die noch vor einem Jahr nicht im Traum daran gedacht hätten, auf welch schwankendem Boden sie ihr Haus errichtet haben. Verworfen wurde bei den Verhandlungen offenbar die Lösung, DDR -Hausbesitzern das West-Grundstück in Erbpacht zu überlassen. Aus der West-SPD kam der Vorschlag, die DDR solle ein Grundstücksverkehrsgesetz erlassen, damit sich westliche Investoren nicht die „Filetstücke“ herausschneiden.

Pragmatisch zu sein scheint ein Weg, den jetzt Kanzler -Berater Hans Tietmeyer vor den Haushaltspolitikern der Koalition als wahrscheinlich aufzeigte: Sofern der DDR -Bürger seinen Anspruch belegen könne, solle das Grundstück endgültig in seinen Besitz übergehen. Wenn der frühere Eigentümer dann später seine Rechte glaubhaft mache, solle er entschädigt werden. Dahinter steht die Überlegung, möglichst schnell Grund und Boden dem Grundstücksmarkt verfügbar zu machen.

Schnelle Ergebnisse liegen auch im Interesse der DDR -Betriebe, denn wer investiert, will sich auch absichern gegen unverhoffte Rechtsansprüche Dritter. Das ist im Sinne der FDP, die aufgebracht wurde durch den liberalen DDR -Bauminister Axel Viehweger, als er jetziges Recht zementieren und nur Entschädigungen zulassen wollte.

Sofern Entschädigungen anfallen, könnten sie nach Vorstellungen der FDP aus dem Privatisierungstopf der Treuhandanstalt aufgebracht werden. Doch deren Erlöse sind schon verplant für die Sanierung von Betrieben und die spätere Deckung der DDR-Haushaltsdefizite. Ob Rückgabe oder Entschädigung: Lastenausgleichsmittel an Flüchtlinge - bis 5.000 Mark wurde voll entschädigt - werden angerechnet.

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